Dienstag, 16. Juli 2024

Warum der Bund das drohende Klimalabel-Wirrwarr ordnen sollte

Göttingen. (gau) Anfang dieser Woche beriet der Deutsche Bundestag im Petitionsausschuss zum Thema CO2-Kennzeichnung von Lebensmitteln. Das Thema ist aktuell, weil immer mehr Unternehmen ein Klimalabel auf ihren Produkten anbringen. Es ist wichtig, weil Lebensmittel global rund ein Viertel der Treibhausgasemissionen verursachen. Deshalb hat sich vor kurzem auch der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE 2020) für ein Klimalabel auf Lebensmitteln ausgesprochen und für eine staatliche Regelung plädiert. Derzeit entwickeln sich am Markt jedoch ganz unterschiedliche Formen von Klimalabeln, solche, die CO2-Werte in Kilogramm angeben (zum Beispiel Oatly), andere weisen prozentuale Verbesserungen aus (zum Beispiel Arla), wieder andere kennzeichnen eine Kompensation der Treibhausgasemissionen (zum Beispiel CO2-neutrale Bananen). In zwei Positionspapieren geben Forschende der Georg-August-Universität Göttingen jetzt Empfehlungen für die Gestaltung eines Klimalabels.

«Bisher kann jeder mit Klimaschutz bei Lebensmitteln werben wie er will. Es ist gut, wenn sich Unternehmen hier engagieren, aber auf die Dauer führt das zu Wildwuchs», sagt Prof. Achim Spiller des Departments für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Label sind wichtig, weil bestimmte Eigenschaften dem Produkt nicht anzusehen sind. Ökonomen (m/w/d) sprechen von Vertrauenseigenschaften. Jedoch ist der unregulierte Labeldschungel schon in anderen Bereichen des Lebensmittelmarktes ein Problem und erschwert informierte Konsumentscheidungen. Engagierte Verbraucher (m/w/d) resignieren, wenn sie die Verlässlichkeit einer Produktkennzeichnung nicht einschätzen können und kaufen im Zweifelsfall nach dem Preis.

Deshalb sollte der Staat nach Ansicht der Autoren (m/w/d) eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines Klimalabels einsetzen, um ein einheitliches und zuverlässiges Konzept zu entwickeln. Ideen, wie ein solches Label aussehen könnte, haben sie in dem Beitrag «Durchblick im Klimadschungel» vorgelegt. Bei der Klimabilanzierung ist es nicht anders als bei der kaufmännischen Bilanzierung: Es müssen Regelungen zur Bilanzierung festgelegt werden – eine Tätigkeit, für die es allein in Deutschland mehr als 100 Professuren für Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung gibt. Die Unternehmen starten jetzt zunehmend mit eigenen Labeln. «Es ist sinnvoll, wenn die Wirtschaft aktiv wird, aber um weitere Verbraucherverwirrung im Labeldschungel gar nicht erst entstehen zu lassen, ist frühzeitig eine Standardisierung wesentlicher Kriterien erforderlich», sagt Dr. Anke Zühlsdorf, Co-Autorin der Studie. Es gibt in der Politik bei diesem Thema immer noch viel Zurückhaltung, auf die die Wissenschaftler (m/w/d) in einem zweiten, neu erschienen, Diskussionsbeitrag eingehen.

Originalveröffentlichungen

Spiller, A. und Zühlsdorf, A. (2020): Ein Klimalabel ist machbar und sinnvoll. Positionspapier Universität Göttingen: https://agrardebatten.blog/2020/09/13/klimalabel-machbar-und-sinnvoll/

Spiller, A. und Zühlsdorf, A. (2020): Durchblick im Klimadschungel. Positionspapier Universität Göttingen: https://agrardebatten.blog/2020/07/07/klimalabel-auf-lebensmitteln/