Bern / CH. (eb) Die eidgenössische Bäckerbranche gerät durch die Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses von Januar 2015 zunehmend unter Druck. Um im umliegenden Europa günstig einkaufen und die Euroschwäche nutzen zu können, ist Herrn und Frau Schweizer kaum mehr ein Weg zu weit. Bei ihren Ausflügen geben sie im Schnitt 155 Schweizer Franken (CHF) für Lebensmittel aus. Hochgerechnet kaufen sie rund 8,5 Mal pro Jahr Lebensmittel im grenznahen Ausland.
Eine jüngere Erhebung der Universität St. Gallen geht davon aus, dass der Schweizer Detailhandel per Anno knapp neun Milliarden CHF durch diesen «Einkaufstourismus» verliert. Richtig. Das Einkaufsverhalten der helvetischen Verbraucher wird in der gesellschaftlichen Diskussion nicht neutral als logische Folge der Geldpolitik betrachtet, sondern mit Unterton als «Einkaufstourismus» gebrandmarkt.
Neuerlichen Anlass, über den «Einkaufstourismus» zu diskutieren, bot Bäckermeister Aaron Lehmann aus Oberuzwil im Kanton St. Gallen, als er Sortiment und Preispolitik seiner «Bäckerei + Confiserie Wagner» radikal überarbeitete. 125 Jahre Tradition hin oder her: Tankstellenshops und Discounter setzen ihm zu, von 20 Prozent Umsatzrückgang ist die Rede. Also entschloss sich der Unternehmer, der sechs Jahre bei Hiestand/Aryzta als Produktionsleiter tätig war, zu einer riskanten Strategie, die erst noch aufgehen muss.
Kurzgefasst sollen Massenwaren wie zum Beispiel ein Ruchbrot künftig so günstig über die Ladentheke gehen, dass Lehmann daran keinen Rappen mehr verdient. Andere Artikel, wie etwa ausgewiesene Spezialitäten oder Bäckersnacks, sollen das nötige Kleingeld erwirtschaften. Mehr dazu gibt es auf Blick.CH.
Beat Kläy, Direktor des Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verband (SBC), hält dagegen, dass handwerklich orientierte Bäckereien den Wettbewerb nicht über den Preis gewinnen können. Dafür hat er viele gute Argumente auf seiner Seite, die man auch aus Deutschland kennt. Wie auch immer: Die «gravierenden Kunden-Rückgänge» bei Bäckereien entlang der Grenze seien eine «enorme Problematik», bestätigt Kläy gegenüber Blick.CH an anderer Stelle.
Oder um es mit den Worten von SBC-Präsident Kaspar Sutter zu sagen: «Migros und Coop forcieren Hausbäckereien und das Backen vor Ort, Aldi und Lidl setzen auf Ausbackstationen in den Filialen und damit auf warmes Brot zu jeder Tageszeit. Außerdem haben die Einkäufe von Schweizern im Ausland dieses Jahr um 18 Prozent zugenommen». Das sagte Sutter schon im November 2014, also noch vor der überraschenden Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses.
Zweifellos bläst den gewerblichen Bäckereien- Konditoreien- Confiserien in der Schweiz ein scharfer Wind ins Gesicht. Allerdings hat jede Region in den D-A-CH-Ländern mit Blick auf Brot und Gebäck in irgendeiner Form mit Verdrängungswettbewerb und Preiskampf zu tun. «Schuld» hat im vorliegenden Fall aber nicht Europa und auch keine Bahnverbindung, die Herrn und Frau Schweizer selbst aus den hintersten Tälern zum «Einkaufstourismus» ins umliegende Europa chauffiert. Das sind alles nur Symptome. Die Ursachen liegen tiefer und natürlich haben auch wir keine schnelle Antwort parat, wie die komplexe Situation aufzulösen ginge.
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