Völklingen. (17.03. / sz / wib) Wie soll man reagieren, wenn man bemerkt, dass ein Backbetrieb in Sachen Hygiene versagt? Was soll man Lesern mit auf den Weg geben, wenn sich herausstellt, dass nicht nur die Lebensmittel-Kontrollinstanzen, sondern die gesamte Legislative bis hinauf in die Landespolitik versagt hat? Als Unternehmer sollten Sie jedenfalls keinen «Tag der offenen Tür» veranstalten frei nach dem Motto «Bei uns ist jetzt alles sauber». Als wenn das was Besonderes wäre! So geschehen im Saarland dieser Tage, was man ohne Übertreibung als Gipfel der Unverschämtheit bezeichnen kann. Was war geschehen?
Nach Berichten in der Saarbrücker Zeitung über gravierende Hygienemängel in der Produktion der Völklinger Christof Krautter Bäckerei und Cafe e.K. ging ein öffentlicher Aufschrei durch das Saarland. Mäusekot, tote Mäuse, Schimmel, Bauschutt, Taubenplage, Taubenkot. Geht man von den Veröffentlichungen der Regionalpresse aus, dann gab es in Krautters Produktion alles, was es nicht geben darf an ekelerregenden Zuständen.
Die Medienschelte hatte gesessen. Lebensmittelüberwachung aufgerüttelt, Landespolitik aufgerüttelt und der Backbetrieb verschrieb sich dem Großputz.
Wenige Wochen später: Der Backbetrieb wundert sich über den Umsatzeinbruch und veranstaltet gemeinsam mit dem CDU-Ortsverein für interessierte Bürger und die Regionalpresse einen Tag der offenen Tür. Alles blitzt und blinkt, ist frisch gestrichen. Mängel in der Vergangenheit? Welche Mängel? «War doch alles nur halb so schlimm».
Zitat Saarbrücker Zeitung: «... War es eben nicht. Denn neben den mindestens drei Bußgeldbescheiden und Mängelrügen der staatlichen Lebensmittelkontrolle an die Bäckerei Krautter seit September 2008 tauchen immer mehr Hinweise auf, die belegen, dass dieser Betrieb es nicht erst seit Kurzem mit den Hygienevorschriften nicht so genau genommen hat. Verbraucherschutzminister Gerhard Vigener etwa hat in der Ausschuss-Sitzung Gesundheit und Soziales (AgeSo76) am 03. März enthüllt, dass 'bei dieser Bäckerei im Jahre 2005 oder 2004 wegen Mängel, die mindestens so gravierend waren, ein Bußgeld' erhoben wurde. Soll heißen: Schon Jahre zuvor wurde gemahnt, bemängelt, Strafe bezahlt -- aber die Öffentlichkeit nicht informiert. Auch darüber nicht, dass besagter Betrieb bereits in den 1990er Jahren auffällig wurde und in mindestens einem Fall Schmerzensgeld wegen einer langwierigen Salmonellen-Vergiftung in Höhe von 3.000 Deutsche Mark an eine Bäckerkundin aus Völklingen gezahlt wurde. Der entsprechende Schriftverkehr liegt der SZ vor».
Zu bedenken gibt die Regionalpresse außerdem: Die Trendwende hin zu einer vorzeigbaren Sauberkeit bei Krautters wäre Jahre früher erfolgt, hätte die Öffentlichkeit gewusst, dass sich selbst die -- auf Lebensmittelspenden dringend angewiesene Völklinger Tafel -- seit etwa einem Jahr den Produkten aus dieser Bäckerei verweigert. Nach Aussage von Tafel-Mitarbeitern gegenüber der Regionalpresse wurden von dort trockene Brötchen, Torten und Teilchen zusammengemanscht in blauen Müllsäcken geliefert. Als «unerträglich ekelhaft» bezeichnete eine Mitarbeiterin den Griff in einen solchen Sack. Verbraucherschützer forderten daher schon früh nach Bekanntwerden der Missstände bei Krautter die schonungslose Veröffentlichung auffällig gewordener Betriebe.
Landesregierung will rechtliche Grundlage schaffen
Das Saarland plant jetzt eine Bundesratsinitiative zum Verbraucherschutz. Ziel sei die Nennung von Betrieben, die gegen Hygienevorschriften verstießen, sagt Landesminister Vigener in Saarbrücken. Bisher sei die Nennung von Namen nur möglich, wenn eine Gesundheitsgefährdung vorliege oder ekelerregende Produkte in Umlauf kämen. Mit der Initiative soll dies geändert werden. Zudem will das Saarland negative Ergebnisse von Betriebskontrollen künftig im Internet veröffentlichen, sofern es sich um Wiederholungstäter handelt. Im Saarland sind 42 Hygiene-Inspekteure unterwegs. |