Berlin / Bonn. (17.08. / vdm) Die Getreidepreise in Deutschland liegen auf Rekordniveau: 250 Euro je Tonne notieren die deutschen Produktenbörsen derzeit im Schnitt für einfachen Mahlweizen. Für Qualitätsweizen werden bis zu 285 Euro je Tonne bezahlt. «So viel musste in den letzten 25 Jahren zur Erntezeit im Juli und August noch nie bezahlt werden», sagte Hans-Christoph Erling, Vorsitzender des Verbands Deutscher Mühlen (VDM), in Berlin: «Damit ist Brotgetreide heute um rund 25 bis 35 Prozent teurer als vor zwölf Monaten».
Ob die hohen Getreidepreise auch Preiserhöhungen bei Brot und Brötchen nach sich ziehen, werden die Bäcker zu kalkulieren haben. Klar sei aber, so Erling, dass die Mühlen solche Kostensprünge unmöglich auffangen könnten: «Eine Preissteigerung von 50 Euro je Tonne Weizen oder Roggen bedeutet für unsere Branche Mehrkosten im Rohstoffeinkauf von rund 400 Millionen Euro. Höheren Einstandskosten in dieser Höhe müssen in die betriebliche Kalkulation der Verkaufspreise einfließen, anders ist erfolgreiches Wirtschaften auf Dauer nicht möglich», betonte der VDM-Vorsitzende.
Brotgetreideernte 2012: ordentliche Qualität, aber knappe Mengen
Mit dem kommenden Wochenende wird die Getreideernte in Deutschland weitgehend abgeschlossen sein. Der VDM rechnet mit einer Brotgetreideernte von 25,9 Millionen Tonnen, 22,5 Millionen Tonnen Weizen und 3,4 Millionen Tonnen Roggen. Damit würde etwas mehr Weizen und Roggen geerntet als 2011 - ebenfalls kein gutes Erntejahr. «Damit fehlen zum Durchschnitt der letzten fünf Jahre aber weiter mindestens eine Million Tonnen Weizen und Roggen in der deutschen Brotgetreidebilanz», stellt Erling fest.
Die Mühlen erwarten weitgehend ordentliche Brotgetreidequalitäten, der Mahlweizen aus neuer Ernte weist bei den meisten Inhaltsstoffen sortentypische Werte auf, die auf gute Backeigenschaften schließen lassen. In den Regionen, wo die Fröste die Getreidebestände stark geschwächt haben, fallen die Qualitäten aber zum Teil deutlich ab, so dass die Mühlen hier großen Aufwand betreiben müssen, um geeignetes Mahlgetreide einkaufen zu können.
Aktuelle Bilanz des Wirtschaftsjahres 2011/2012: weniger Mehl und weniger Brot
Im gerade abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2011/2012 (Juli bis Juni) haben die deutschen Mühlen 5,54 Millionen Tonnen Weizenmehl und 745.000 Tonnen Roggenmehl hergestellt. Bei insgesamt 6,28 Millionen Tonnen an Mahlerzeugnissen aus Brotgetreide bedeutet das einen Rückgang von 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2010/2011 konnten die Mühlen mit 6,44 Millionen Tonnen allerdings auch einen absoluten Mahlrekord verzeichnen. Außerdem wurden 1,4 Millionen Tonnen Kleie und Futtermehle produziert, berichtet der VDM.
Anders als im Wirtschaftsjahr zuvor hat es 2011/2012 keine Nachfrageimpulse für Mehl und Mahlerzeugnisse aus dem Brot- und Backwarenmarkt gegeben. Wie die Vereinigung Getreide-, Markt- und Ernährungsforschung (GMF) ermittelt hat, liegt der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch der Bundesbürger aktuell bei 82,9 Kilogramm. Nach einem «Zwischenhoch» von 84,9 Kilogramm im Vorjahreszeitraum ist damit das langjährige Mittel der gesamtdeutschen Konsumstatistik wieder erreicht.
Backwarenmarkt mit schwacher Tendenz: ernährungswissenschaftlich kritisch?
«Ein Minus bei Getreide, Mehl und Brot ist mit Blick auf eine bedarfsgerechte Nährstoffversorgung ein Schritt in die falsche Richtung», sagte GMF-Geschäftsführer und Ernährungswissenschaftler Heiko Zentgraf in Berlin. Mit Blick auf die deutschen Ernährungsgewohnheiten bewertete er den gesunkenen Backwarenverbrauch kritisch: «Ein weiterer Rückgang des Verzehrs von Getreideprodukten kann die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung bei einer ganzen Reihe von Nährstoffen gefährden». Denn ein wesentlicher Beitrag zur Nährstoffversorgung der Bundesbürger stammt aus den «Korn-Kraftwerken» Weizen und Roggen. «Die vielfältigen Mahlerzeugnisse aus den beiden Brotgetreide-Arten liefern eine wichtige Grundlage für die tagtägliche Sicherung des Bedarfs», stellte Zentgraf aufgrund einer aktuellen Nährstoffbilanz der GMF fest: «Dank ihrer günstigen Nährwert-Matrix können sie als Schlüssel-Lebensmittel helfen, die Ernährung optimal zu gestalten».
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