Isernhagen. (09.05. / obic) «Ist das Brot tot? Oder ist es der Bäcker?!» Eine zugegeben rhetorische Frage, die da während des IsernHäger Brottags 2008 gestellt wurde. Sie kam von Josef Bünger vom Steuerbüro Voss + Partner. Als einer der führenden Berater im Bereich Brot und Backwaren hatte er anhand von Beispielen in Isernhagen deutlich gemacht, dass und wie gravierend bei steigendem Snackanteil der Rohaufschlag sinkt.
Ein Fazit aus diesem Vortrag lautet ganz bestimmt: Gutes, von Kunden geliebtes Brot braucht seine Zeit. Wer denkt sparen zu können, in dem er -- zum Beispiel -- das Brot ein paar Minuten früher aus dem Ofen holt, der zahlt für jede Minute verkürzte Backzeit am Ende bitter drauf. Eine Erkenntnis, die nicht neu ist, die man aber nicht oft genug wiederholen kann. Josef Bünger sagte es nicht, doch gehört er wohl zu den Steuerfachleuten, die ihre (Bäcker-) Klienten im betriebswirtschaftlichen Koma wähnen, so sie die Wechselwirkung zwischen guter Qualität und voller Kasse ignorieren. Sicherlich ist eine andere Wechselwirkung ebenso wichtig: die zwischen guter Arbeitsleistung und einem sicheren Arbeitsplatz.
Ersparen wir uns den Abstecher in die Vergangenheit und den Seufzer, wie schön das Bäckerleben einmal war. Heute übernimmt Zug um Zug die Backindustrie das Brotgeschäft, liefert gute Qualität und ist drauf und dran, dem Bäckerhandwerk die Kernkompetenz zu rauben. In der Konsequenz hat an dieser Entwicklung nicht die Industrie «schuld» sondern jene Handwerksbäcker, die sich die harte Konkurrenz seit Jahrzehnten schönreden und ansonsten ziemlich viel von dem unterlassen, was sie positiv von der Massenware abheben könnte.
Manchmal merken Handwerksbäcker nicht einmal oder nur spät, dass sie aus betriebswirtschaftlicher Sicht längst haben Federn lassen müssen. Oder um es mit Josef Bünger zu sagen: Der Umsatz beim traditionellen Bäcker steigt zwar stetig, doch ebenso kontinuierlich sinkt der Produktionsaufschlag.
Der neue Umsatz kommt hauptsächlich aus den Bereichen Snack, Kaffee und Salat. Er lässt den Umsatz steigen, vernichtet aber den Rohaufschlag. Kurzum: Der Snackumsatz ist zwar schmeichelhaft, nach Ansicht Büngers aber auch gefährlich. Das Büro Voss + Partner legt folgende Rohaufschläge zu Grunde:
Brötchen |
800% bis 1000% |
Brot |
600% bis 800% |
Konditorei |
300% bis 400% |
Snack |
100% bis 150% (Brötchen zum LVP) |
Büngers These: Wird der Snackumsatz zur Hauptumsatzquelle der Bäckereien und geht der Brotumsatz verloren, dann müssen Bäckereien mit Snack- und Konditoreiartikeln viel Geld verdienen, um dies auszugleichen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist dies in Deutschlands Bäckereibetrieben oft nicht der Fall -- und: Mit Rohaufschlägen zwischen 100% und 400% kann keine Bäckerei rentabel arbeiten.
Nach Erkenntnissen von Voss + Partner fällt der Anteil von Brot am Gesamtumsatz seit Jahren kontinuierlich. Dieser Trend muss um jeden Preis gestoppt werden. Es gibt Statistiken die belegen, dass heute 80% des verkauften Vollkornbrots industriell produziert werden. Brote aus eigener Herstellung -- nicht aus Vor- und Fertigmischungen oder ähnlich -- sollten beim Handwerksbäcker wieder selbstverständlich sein. Natursauer aus Mehl, Wasser und Salz muss wieder Einzug in die Backstuben halten. Ein guter Sauerteig ist die Grundlage für ein erfolgreiches Bäckerhandwerk.
Besorgt um die Existenzfähigkeit so manchen Handwerkers, hier ein kleiner Bünger-Tipp: Kontrollieren Sie Ihre Kasseneinnahmen und vergleichen Sie, ob folgende Vorgaben eingehalten werden (Voss + Partner Standardwerte):
Artikel |
Vorgabe |
Ist |
Brot |
30% |
20-30% |
Brötchen |
40% |
40-45% |
Konditorei |
15% |
20-25% |
Snack |
15% |
20-30% |
Auf Grund der von Voss + Partner seit Jahren eingereichten Kassenauswertungen von Mandanten stellt das Steuerbüro immer wieder fest, dass Handwerksbäckereien in den freien Standorten am meisten Brotumsatz verlieren. Der Brötchenumsatz ist in den freien Standorten jedoch sehr hoch. In den Vorkassenzonen ist der Anteil von Brot am Umsatz noch hoch, jedoch hat der Anteil von Snack am Umsatz teilweise schon 30% erreicht. In den Vorkassenzonen bezahlt der Bäcker somit 13% Umsatzpacht auf den vom Rohaufschlag her gesehenen schlechten Snackumsatz und muss von diesem noch zusätzlich 19% Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.
Nachfolgend verdeutlicht Voss + Partner die Auswirkung der unterschiedlichen Sortimentsgestaltung an drei Bäckereien aus dem eigenen Mandantenkreis:
Bäcker A: Filialen in Vorkassenzonen, hoher Snackanteil, kaum Brotgeschäft
Bäcker B: normaler Snackanteil, normales Brot- und Brötchengeschäft
Bäcker C: kaum Snackanteil, gutes Brot- und Brötchengeschäft
Kennzahl |
Bäcker A |
Bäcker B |
Bäcker C |
WE gesamt |
716T€ |
28,1% |
331T€ |
25,7% |
245T€ |
18,8% |
Rohertrag |
1834T€ |
71,9% |
953T€ |
74,3% |
1056T€ |
81,2% |
WE Bäckerei |
649T€ |
26,1% |
271T€ |
21,9% |
232T€ |
17,7% |
Rohaufschlag |
1839T€ |
283% |
967T€ |
357% |
1077T€ |
464% |
Cash-Flow |
3,1% |
15,6% |
17,0% |
Beispielrechnung 1:
Wie verändern sich die Kennzahlen wenn 200T€ Brotumsatz neu hinzukommen?
Bäcker A: Filialen in Vorkassenzonen, hoher Snackanteil, kaum Brotgeschäft
Kennzahl |
Vorher |
Neuer Brotumsatz |
Gesamt |
WE gesamt |
716T€ |
28,1% |
28T€ |
14,3% |
744T€ |
27,1% |
Rohertrag |
1.834T€ |
71,9% |
172T€ |
85,7% |
2.006T€ |
72,9% |
WE Bäckerei |
649T€ |
26,1% |
28T€ |
14,3% |
677T€ |
25,1% |
Rohaufschlag |
1.839T€ |
283% |
172T€ |
600% |
2.011T€ |
297% |
Der Rohertrag steigt von 71,9% auf 72,9%
Der Wareneinsatz in der Bäckerei sinkt von 26,1% auf 25,1%
Der Rohaufschlag steigt von 283% auf 291%
Beispielrechnung 2:
Wie verändern sich die Kennzahlen wenn 100T€ Brotumsatz neu hinzukommen?
Bäcker B: normaler Snackanteil, normales Brot- und Brötchengeschäft
Kennzahl |
Vorher |
Neuer Brotumsatz |
Gesamt |
WE gesamt |
331T€ |
25,7% |
14T€ |
14,3% |
345T€ |
24,9% |
Rohertrag |
953T€ |
74,3% |
86T€ |
85,7% |
1.039T€ |
75,1% |
WE Bäckerei |
271T€ |
21,9% |
14T€ |
14,3% |
285T€ |
21,3% |
Rohaufschlag |
967T€ |
357% |
86T€ |
600% |
1.053T€ |
370% |
Fazit: Brot gehört zum guten Bäcker. Nicht nur zum Brotliebhaber, sondern zum kühl kalkulierenden Kaufmann, der sich tunlichst nicht die Butter vom Brot nehmen lassen sollte. Josef Bünger hatte es in Isernhagen verstanden, eine eher trockene Materie prägnant und anschaulich auf den Punkt zu bringen. Der Beifall der über 40 Teilnehmer am IsernHäger Brottag 2008 war ihm ebenso gewiss wie eine angeregte Diskussion der von ihm dargelegten Fakten und Schlussfolgerungen.
Was ist mit dem Brotumsatz im Bäckerhandwerk und lohnt es sich überhaupt noch, gutes Brot zu backen? Aus gutem Grund stand der 5. IsernHäger Brottag unter dem Motto «Bäckerbrote ade?». Das Spektrum war vielseitig und die über 40 Teilnehmer aus allen Betriebsgrößen hatten Gelegenheit, viele gute Ideen mit nach hause zu nehmen. Fakten, Zahlen, Erfahrungen und Ausblicke boten: Ruth Kirchmann, Zentrale Markt- und Preisberichtsstelle Bonn; Josef Bünger, Voss + Partner Steuerbüro; Dr. Peter Stolz, Böcker GmbH + Co. KG Minden; Martin Seiffert, IsernHäger GmbH + Co. KG. Nach der Theorie folgte die Verkostung der Gebäcke im VorteigCentrum. Zum Abschluss berichtete Bäckermeister Josef Hinkel (Düsseldorf) aus praktischer Erfahrung, wie viele Brote der Bäcker braucht.
|