Isernhagen. (17.01. / ge) Seit 2002 gewinnen Finanzbehörden im Rahmen der digitalen Außenprüfung Erkenntnisse aus der computergestützten Analyse steuerrelevanter Unternehmensdaten. Der ursprüngliche Zweck, die prüferische Auswahl einzelner Geschäftsvorfälle durch den Einsatz spezieller Prüfungs-Software zu erleichtern, ist zunehmend in den Hintergrund getreten. Demgegenüber hat die statistische Aufbereitung von Buchhaltungs- und Kassendaten an Bedeutung gewonnen. Eine Möglichkeit der Betriebsprüfer stellt dabei der sogenannte «Chi-Quadrat-Test» dar, sagt Carsten Klingebiel von der Gehrke econ Steuerberatungsgesellschaft in Isernhagen bei Hannover.
Mit dem «Chi-Quadrat-Test» werden Verteilungseigenschaften einer statistischen Grundgesamtheit, zum Beispiel von Zahlen oder Daten untersucht. Dabei geht man von dem Grundgedanken aus, dass jeder Mensch gewisse Lieblingszahlen hat. Nach dieser Theorie werden unterbewusst diese Lieblingszahlen auch bei der Manipulationen von Kassendaten verwendet. Stellt der Betriebsprüfer daher fest, dass bestimmte Zahlen in der Kassenbuchhaltung von der statistischen Häufigkeit abweichen und einen definierten Grenzwert übersteigen, ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einem manipulierten Kassenbericht und damit der Gewinnermittlung auszugehen, lautet die Auffassung der Finanzverwaltung.
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hatte zu entscheiden, ob Auffälligkeiten beim Chi-Quadrat-Test zur Beanstandung der Buchführungen damit zur Schätzung eines höheren Umsatzes respektive Gewinns berechtigen, sind sonst keine weiteren Mängel der Buchführung gegeben.
Im Streitfall fand bei dem betroffenen Unternehmer für 2005 bis 2007 eine steuerliche Außenprüfung statt. Der Prüfer beziehungsweise das Finanzamt bemängelte, dass die Kassenbücher in Form von Excel-Tabellen geführt worden seien. Die gesetzlich geforderte Unveränderbarkeit der Kassenbucheintragungen sei so nicht gewährleistet. Der Unternehmer habe nicht darlegen und dokumentieren können, dass das betreffende Kassenprogramm Manipulationen und nachträgliche Änderungen ausschließt. Im Rahmen der Prüfung hat der Prüfer auf Basis des Chi-Quadrat-Tests unterstellt, dass der Unternehmer mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 Prozent die Kassendaten manipuliert hat. Das Finanzamt erhöhte die erklärten Umsatzerlöse um jährlich 3.000 Euro, was entsprechende Gewinnerhöhungen und Steuernachzahlungen zur Folge hatte. Der Unternehmer wehrte sich erfolgreich mit Einspruch und Klage gegen diese Steuerfestsetzungen, da der Prüfer keine weitergehenden Beweise für eine Manipulation gefunden hatte.
Das Finanzgericht war der Auffassung, dass es nicht Sache des Unternehmers ist, darzulegen oder/und zu dokumentieren, dass das betreffende Kassenprogramm Manipulationen und Änderungen nicht zulasse. Der Nachweis einer Manipulationsmöglichkeit obliege vielmehr dem Finanzamt. Die vom Finanzamt behauptete «Manipulationswahrscheinlichkeit von 100 Prozent» auf Grund des vom Prüfer durchgeführten Chi-Quadrat-Tests kann nicht zu einer Hinzuschätzung von Einnahmen führen. Der Test allein reicht als Beweismittel nicht aus, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist. Da das Urteil nun mittlerweile rechtskräftig geworden ist, kann es auch bei vergleichbaren Fällen, beispielsweise bei der Prüfung von Kassendaten in einer Bäckerei, hilfreich für den Steuerpflichtigen sein.
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