Backergebnisse aus Teigen mit zu hohen Temperaturen kennt jeder Fachmann und auch bei den Brotprüfungen von IsernHäger sehen die Spezialisten die Auswirkungen deutlich. Martin Seiffert (Dipl.-Ing., Bäckermeister) und Jens Stadtländer (Bäckereitechniker und Bäckermeister) haben sich dieses Themas angenommen, um für die Praxis einige Kennzahlen zur Verfügung zu stellen frei nach dem Motto «Was ist wenn ...».
Isernhagen. (25.07. / is) Sind in den Sommermonaten die Temperaturen permanent hoch, sind auch die Teigtemperaturen sozusagen auf «hohem Niveau» und dadurch ist oft Alarm in den Backstuben. Die Backergebnisse aus Teigen mit zu hohen Teigtemperaturen kennt jeder Fachmann und auch bei den Brotprüfungen von IsernHäger sehen die Spezialisten in Isernhagen die Auswirkungen deutlich.
Gehen wir zunächst mal gedanklich eine Stufe zurück von der Teigknetung zu den Vorteigen oder Sauerteigen. Wir wissen, dass Sauerteige einer Handvoll Regeln gehorchen: Starter; Temperatur; Teigausbeute; Reifezeit; Nährstoffe.
Das ist bei der Brotfermentation nicht anders. Das wichtigste ist, einen guten Starter zur Verfügung zu haben. Dafür sorgt IsernHäger und liefert regelmäßig für jeden Ansatz einen Starter der in der Lage ist, für einen optimalen Start zu sorgen. Die weiteren Ansatzparameter sind vorgegeben und müssen im Betrieb entsprechend eingehalten werden.
Doch was passiert, wenn der Wettergott einen Strich durch die Rechnung macht und die Temperatur im Raum, wo die Sauerteiganlage steht, beim besten Willen nicht runtergehen will -- also über einen langen Zeitraum auch Nachts bei 30° Celsius und darüber bleibt? Nehmen wir eine weitere kritische Situation hinzu: Der optimale Start der Sauerteiganlage wird durch hohe Restmengen nachhaltig gestört. Diesen beiden Fragen sind die Spezialisten in einer Versuchsreihe im Isernhagener VorteigCentrum nachgegangen.
Der Reihe nach: Wie sind die idealen Bedingungen für die Brotfermentation? Welches ist der ideale Verlauf? Die folgende Abbildung 1 zeigt den Verlauf der Temperatur und der Säuregrade bei der Brotfermentation.
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Abb. 1: Säuerungs- und Temperaturverlauf bei der Brotfermentation
Welche Parameter wurden verändert?
Die Brotfermentation wurde bei hohen Raumtemperaturen geführt, die in der Spitze bis über 30° Celsius gingen. Bei der ersten Versuchsreihe wurden die Lagertemperaturen der fertigen Brotfermentation variiert; das heißt die nach 42 Stunden fertig ausgesäuerte Brotfermentation wurde in drei gleiche Teile aufgeteilt und bei verschiedenen Raumtemperaturen gelagert. Die Lagerzeiten umfassten jeweils sieben Tage -- also die Zeitspanne die als Verarbeitungszeitraum für die Brotfermentation vorgesehen ist.
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Abb. 2: Schema Ablauf Sauerteigherstellung und Lagerung
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Abb. 3: Temperaturverlauf bei Brotfermentation 1
Die Temperaturmessung erfolgte automatisch alle 15 Minuten. Das Diagramm (siehe Abbildung 3) zeigt deutlich den Verlauf der Temperaturen des Sauerteigs und der Umgebung. Die Endtemperatur des Sauerteigs nach 42 Stunden betrug 31,3° Celsius, die Raumtemperatur 27° Celsius. Eine Temperatur von etwas über 30° Celsius nach der Fermentation ist als normal zu bezeichnen, zumal die Temperaturkurve zum Ende stetig nach unten zeigt, was auf eine Beendigung der Fermentation hinweist. Die Lagerung der Sauerteige bei den unterschiedlichen Lagertemperaturen ergab folgendes Bild:
pH-Wert: Bei erhöhten Lagertemperaturen von 30 oder 35° Celsius beträgt die Abweichung im pH-Wert weniger als 0,1 pH; ebenso bei der Lagerung bei Kühlraumtemperatur (5 bis 8° Celsius). Eine Abweichung von weniger als 0,1 pH im Messwert kann als Toleranzwert in der Messung gesehen werden und ist zu vernachlässigen.
Säuregrade: Keinerlei Veränderungen im Säuregrad sind bei der Kühllagerung zu beobachten. Bei der Lagerung bei 30° Celsius beträgt die Veränderung im Lauf der Woche 5,0 Säuregrade, bei der Lagerung bei 35° Celsius lediglich 2,6 Säuregrade. Die Veränderungen betragen damit weniger als 1 Säuregrad pro Tag. Sie liegen im üblichen Rahmen (0,5 bis 1,0 Säuregrad pro Tag) und sind backtechnisch nicht wirksam.
Essigsäure: In ähnlicher Weise ist der Anstieg der Essigsäure zu sehen. Die Angabe der Essigsäure in Gramm je Liter lässt eine genauere Aussage zu, was das backtechnische Verhalten betrifft. Wir wissen aus vielen Untersuchungen, dass zum Beispiel ein Essigsäuregehalt von über 0,4 Gramm je Liter kritisch ist in Bezug auf die Gärhemmung. Hier liegt der Essigsäuregehalt mit rund 0,2 Gramm je Liter über den gesamten Zeitraum im normalen Bereich. Auch die Zunahme im Wochenverlauf ist akzeptabel.
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Abb. 4: Entwicklung der Säuregrade bei unterschiedlichen Lagertemperaturen bei Brotfermentation 1
So weit -- so gut ...
Was passiert, wenn außer dem sorgfältig hergestellten Starter (1. Stufe) zudem Restsauerteig aus der letzten Woche zur Herstellung der Brotfermentation zugesetzt wird? Dies ist vielfach nur eine Frage der Bequemlichkeit und/oder zu wenig Zeit beim Ansetzen. In der Praxis sieht es dann so aus, dass die Sauerteiganlage weder komplett leer gepumpt noch gereinigt wird. Bei einer 200-Kilogramm-Anlage kommen dann schon mal leicht bis zu 20 Kilo Restsauerteig zusammen, die möglicherweise einen sauberen Start stören könnten. Diesen beiden Fragestellung sind die IsernHäger Spezialisten in einer zweiten Versuchsreihe nachgegangen.
Welche Parameter wurden verändert?
Bei der zweiten Versuchsreihe wurde die Brotfermentation nicht nur mit der ersten Stufe gestartet, sondern es wurden zusätzlich 20 Kilo Restsauerteig (aus der Vorwoche vom Lagerversuch mit 30° Celsius) zugesetzt. Diese zugesetzte Restmenge betrug zehn Prozent -- berechnet auf den herzustellenden Sauerteig (200 Kilo). Nach dem Ende der Fermentation (nach 42 Stunden) wurde die fertig ausgesäuerte Brotfermentation in vier gleiche Teile aufgeteilt und bei verschiedenen Raumtemperaturen gelagert. Als vierte Lagertemperatur wurde hier 25° Celsius ausgewählt. Die Lagerzeiten umfassten jeweils sieben Tage, also die Zeitspanne, die als Verarbeitungszeitraum für die Brotfermentation vorgesehen ist.
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Abb. 5: Schema Ablauf Sauerteigherstellung und Lagerung Versuchsreihe 2
Wiederum wurde der Temperaturverlauf bei der Fermentation über den gesamten Zeitraum aufgezeichnet. Die Temperaturmessung erfolgte automatisch alle 15 Minuten. Das Diagramm zeigt deutlich den Verlauf der Temperaturen des Sauerteigs und der Umgebung. Gut erkennbar ist die Nachtabsenkung der Raumtemperatur und in Folge davon des Sauerteigs.
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Abb. 6: Temperaturverlauf bei Brotfermentation 2
Endwerte der Sauerteige:
Die Werte die bei der Brotfermentation in der ersten Versuchsreihe und in der zweiten Versuchsreihe erzielt wurden, sind in der folgenden Tabelle gegenübergestellt.
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Tab. 1: Es sind keine nennenswerten Unterschiede feststellbar
Lagerung der Brotfermentation 2 bei verschiedenen Temperaturen
pH-Werte: Wie zu erwarten war, liegt die Abweichung im pH-Wert bei Kühllagerung mit weniger als 0,1 deutlich am niedrigsten und mit weniger als 0,2 Abweichung im noch akzeptablen Bereich.
Säuregrade: Die Abweichung in den Säuregraden liegt mit sechs Säuregraden am höchsten bei einer Lagertemperatur von 30° Celsius und erstaunlicherweise höher als bei einer Lagerungstemperatur von 35° Celsius (Abweichung = 3,5 Säuregrade). Die sechs Säuregrade Zunahme im Wochenverlauf bedeuten pro Tag ein Säuregrad Zunahme und stellen den Grenzwert dar (siehe Abb. 7).
Essigsäure: Eine signifikante Zunahme der Essigsäure konnte nicht festgestellt werden. Wie üblich blieben die Essigsäurewerte mit 0,2 Gramm je Liter im mittleren Bereich und sind backtechnisch als unproblematisch anzusehen.
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Abb. 7: Säuregrade bei verschiedenen Lagertemperaturen der Brotfermentation mit Restmengen
Fazit
Wesentlich für die Sicherheit bei der Brotfermentation ist neben der optimal geführten 1. Stufe ein guter Start der 2. Stufe mit der richtigen Temperatur. Dann geht die Brotfermentation im Lauf der Reifezeit über einen Temperaturanstieg auf bis zu 35° Celsius nach etwa 24 Stunden; anschließend fällt die Temperatur wieder ab. Das ist darauf zurück zuführen, dass nach etwa 24 Stunden die höchste Aktivität bei der Fermentation erreicht wird. Bei einer langsamen Verminderung der Aktivität der Mikroorganismen wird weniger Energie freigesetzt, was zu einem stetigen Temperaturabfall führt.
Selbst bei ungünstigen Lagerungsbedingungen von über 30° Celsius sind die Restaktivitäten so gering, dass es im Wochenverlauf zu keiner Beeinträchtigung der Teigführung oder beim Brotgeschmack führt.
Kombiniert man ungewollt zwei ungünstige Parameter -- nämlich Restmenge und zu hohe Lagertemperatur -- so muss dies noch nicht unbedingt zu drastischen Veränderungen im Sauerteig führen oder sich bemerkbar machen.
Dies ist jedoch kein Freibrief für Betriebe, es künftig so zu handhaben. Es zeigt nur, dass die Brotfermentation auch noch unter diesen nicht optimalen Umständen funktionieren kann.
Es zeigt aber auch, wenn hier die Anfangstemperaturen stimmen, ist der Grundstein für eine gleichmäßige Fermentation gelegt. Wie bei vielen anderen bäckereitechnologischen Prozessen gilt auch hier: Die Einhaltung der richtigen Temperatur beeinflusst ganz wesentlich die Qualität des Sauerteigs, Teigs oder Gebäcks. Verbraucher erwarten täglich nur eines: gutes Brot.
Quelle: «Sommer und Reste im Sauerteig -- schwankende Sauerteigwerte?»; von Martin Seiffert (Dipl.-Ing., Bäckermeister) und Jens Stadtländer (Bäckereitechniker und Bäckermeister); Isernhagen 2008.
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