Hamburg. (usp) Aus Protest gegen die mehrfach beschriebene «Hygiene-Ampel» in Nordrhein-Westfalen werden dortselbst gerade Remmel-Semmeln verkauft. Mit dieser Aktion kritisiert der Verband des rheinischen Bäckerhandwerks (BIV) die von der Landesregierung initiierte Umsetzung der Ampel. «Sensationelle 30 Prozent» der angeschlossenen Innungsbetriebe würden mitmachen, sagt BIV-Geschäftsführer Walter Dohr. Wieso nicht 60 Prozent? Und was ist mit den vielen Nicht-Innungsbetrieben?
Ihm würde es besser gefallen, wenn sich die Berufsverbände weniger vor die schwarzen Schafe stellen und mehr für die weißen Schafe tun würden, sagt Landesminister Johannes Remmel (LANUV) mit Blick auf die Aktion in einem Interview mit der Regionalpresse. Das kommt gut an bei den Verbrauchern in NRW und mit Widerspruch ist kaum zu rechnen. Zu ausgedehnt ist das Feld verbrannter Erde, das schwarze Schafe bis heute hinterlassen und sich nachhaltig in das kollektive Verbrauchergedächtnis eingebrannt haben. Bäcker waren daran am wenigsten beteiligt, doch wen interessiert das schon: Mit gefangen, mit gehangen.
Wie viele Jahre in der Lebensmittelkontrolle um nach außen hin sichtbare Transparenz gerungen wird, wissen wir schon gar nicht mehr. Ob Hygiene-Ampel oder -Barometer, auf freiwilliger Basis oder von oben herab verordnet: Früher oder später verlief so manche gute Absicht im Sand – weil sie schlecht vorbereitet und damit nur bedingt praxistauglich war.
Will Remmel auf lange Sicht erfolgreich sein und vielleicht sogar die Blaupause für ein bundesweites Modell schaffen, dann muss er den erwähnten Berufsverbänden besser zuhören. Sind aus deren Sicht die Beurteilungsmaßstäbe unklar, teilweise gar nicht zu beeinflussen, und können Kontrolleure schwammige Vorgaben höchst unterschiedlich auslegen, dann muss das korrigiert werden. Es kann nicht sein, dass es im schlimmsten Fall ein Kontrolleur in der Hand hat, ob ein Kleinbetrieb schließen muss oder nicht.
Das geplante «Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz» soll voraussichtlich im Frühjahr verabschiedet und nach einer Übergangsfrist von drei Jahren für alle Betriebe verbindlich sein. Landesminister Remmel wird die vielen Lebensmittel verarbeitenden Betriebe Nordrhein-Westfalens nur «mitnehmen» und sie von den Vorteilen überzeugen können, wenn er sein Transparenz-System mit allergrößter Sorgfalt vorbereitet. Dann ist es auch nicht «überflüssig und schädlich», wie BIV-Geschäftsführer Walter Dohr wettert. Im Gegenteil: Man könnte verbal abrüsten und im gegenseitigen Einvernehmen – gemeinsam – an einem beispielhaften System feilen, in dem die weißen Schafe definitiv zu den Gewinnern zählen, meint Ihre Ute Speer.
WEITERE THEMEN AUS DIESER RUBRIK FÜR SIE:
- BMEL: Der Trend zu Öko setzt sich auf schwächerem Niveau fort
- Trotz gegenteiligem Rat: Ampel verabschiedet Agrarpaket
- Lebensmittelverband: begrüßt Ausbau von lebensmittelwarnung.de
- NRI: Bemühungen der Lebensmittelwirtschaft könnten besser sein
- BMEL: Rechtsgutachten zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen
- DGE: veröffentlicht neue Position zu veganer Ernährung
- BZfE: Snack-Ideen für die Fußball-Europameisterschaft
- BMEL: Bundestag beschließt Änderung des Düngegesetzes
- Nachhaltig einkaufen zwischen Wunsch und Wirklichkeit
- Fleischersatz: 2023 stieg die Produktion um gut 16%
- NRI: Weiter zu viel Zucker, Fett und Salz in Umlauf
- Nutri-Score: Unternehmen und Verbände sollen mehr Gehör finden
- RWI: Ernährungstipps und Empfehlungen oft ohne Wirkung
- So gelingt der Übergang zur zeitgemäßen Proteinversorgung
- Fastenzeit 2024: Fleisch- und Alkoholkonsum gingen spürbar zurück
- Aminosäuren des Getreides ergänzen Hülsenfrüchte ideal
- Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch sinkt auf neuen Tiefstwert
- Novel Meat: IGF-Projekt arbeitet an Stützstrukturen
- DGE: überarbeitet Ernährungsempfehlungen
- HS Fulda: für mehr heimische Hülsenfrüchte im Speiseplan