Berlin. (zv) Vorverpackte Lebensmittel müssen gemäß der Lebensmittel- Informations- Verordnung (LMIV) ab dem 13. Dezember 2016 mit einer Nährwertdeklaration gekennzeichnet werden, sofern keine Ausnahmeregelung eingreift. Eine solche Ausnahme existiert für das Lebensmittelhandwerk, schreibt der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV). Über deren Bedeutung werde in der Presse gerade «wild spekuliert», schreibt der Verband und bezieht sich damit wohl auf eine Mitteilung des Landesinnungsverbands für das bayerische Bäckerhandwerk, die in der 45. Kalenderwoche in mehreren Medien erschienen ist – kommentiert oder nicht.
In seiner jüngsten Mitteilung zum Thema klärt der Zentralverband (a) über die wichtigsten Fakten auf, und berichtet (b) von einer Aufforderung an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), «… sein Versprechen aus dem Ministerrat während der Verhandlungen zur LMIV umzusetzen und die Sache endlich im Sinne des Gesetzgebers einheitlich zu klären», wie Hauptgeschäftsführer Daniel Schneider vom Zentralverband schreibt. Doch der Reihe nach:
Was steht in der LMIV?
Nach der Ausnahme in Anhang V Nr. 19 LMIV müssen «handwerklich hergestellte Lebensmittel» keine Nährwertdeklaration tragen. Weiter heißt es jedoch, dass dies nur für Lebensmittel gilt, die «in kleinen Mengen» abgegeben werden. Was hat dies zu bedeuten?
Der Zentralverband war schon immer der Auffassung: Das Handwerk ist auch ab dem 13. Dezember 2016 nicht per se dazu verpflichtet, Nährwertdeklarationen für ihre vorverpackten Waren zu liefern. Dr. Renate Sommer, Mitglied des Europäischen Parlaments und als Berichterstatterin des Parlaments federführend im Gesetzgebungsverfahren der LMIV, bestätigt dies im jüngsten Telefonat mit dem Zentralverband: «Das Parlament wollte eine bedingungslose Ausnahme für das Handwerk schaffen. Der erste Entwurf sah auch genau dies vor. Auf Drängen des Ministerrats mussten wir aber die «kleine Menge» einfügen, weil der Begriff des Handwerks nicht überall so eindeutig definiert ist wie in Deutschland. Für den deutschen Markt ist die Begrenzung auf die kleine Menge praktisch bedeutungslos, eben weil es dort die Handwerksrolle gibt».
Mit anderen Worten ausgedrückt, sollte die Begrenzung auf die «kleine Menge» verhindern, dass sich große Industrieunternehmen selbst zum Handwerk erklären. Dies ist aber in Deutschland nicht möglich, weil die Handwerkskammern sehr genau prüfen, wer handwerklich herstellt und wer nicht.
Diskussion in Deutschland
Hiernach ist die Sache also eindeutig: Wer in der Handwerksrolle eingetragen ist, braucht die Nährwerte nicht anzugeben. Auch der «Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit» (ALS), ein Gremium aus Vertretern der Untersuchungsämtern der Bundesländer, hat dies im Dezember 2014 in seinem Beschluss anerkannt. Doch warum wird das Thema nun wieder heiß diskutiert?
«Die amtliche Lebensmittelüberwachung in Deutschland kann sich einfach nicht auf eine einheitliche Auslegung verständigen, weil sie den Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift nicht hinterfragt. Mit der Handwerksrolle liegt ein eindeutiges Entscheidungskriterium vor. Die Beteiligten könnten sich die ganze Diskussion über die «kleine Menge» sparen und zugleich das Handwerk von unnötiger Bürokratie entlasten. So wollte es auch das Europäische Parlament», kommentiert Michael Wippler, Präsident des Zentralverbands, die Angelegenheit.
Daniel Scheider, Hauptgeschäftsführer des Verbands, fügt hinzu: «Leider sehen sich Vertreter der amtlichen Lebensmittelüberwachung und der Landesministerien dazu berufen, kurz vor Geltungsbeginn zweckfremde Abgrenzungsmerkmale zu entwickeln, wie die Mitarbeiterzahl, den Jahresumsatz oder die Anzahl der Filialen. Nichts davon steht in der LMIV, die einzig relevant ist. Die verschiedenen Gremien der amtlichen Lebensmittelüberwachung widersprechen sich gegenseitig und stiften so neue Verwirrung». «Ein Unding, was da gerade in Deutschland passiert», sagt Sommer, die vorausgeahnt hat, welche Probleme der komplizierte Kompromisstext der Ausnahmeregelung hervorrufen wird.
Strategie des Zentralverbands
Kurz vor der letzten Sitzung der «Arbeitsgruppe Lebensmittel- und Bedarfsgegenstände, Wein und Kosmetika» (ALB), ein Gremium aus Vertretern der Verbraucherschutzministerien der Länder, im Oktober hatte der Zentralverband in Kooperation mit den Landesinnungsverbänden ein Musteranschreiben an die Landesministerien entwickelt, in welchem die Auffassung mit nachvollziehbaren Argumenten untermauert wurde. Immerhin hat die ALB anerkannt, dass Mitarbeiterzahl und Umsatz für die Ausnahme irrelevant sind. Die weitere Position der ALB steht aber noch nicht fest. Schneider: «In einer weiteren Stellungnahme haben wir deutlich gemacht, dass die Handwerksrolle das einzig verlässliche Abgrenzungsmerkmal sein kann. Auch haben wir das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgefordert, sein Versprechen aus dem Ministerrat während der Verhandlungen zur LMIV umzusetzen und die Sache endlich im Sinne des Gesetzgebers einheitlich zu klären» (Foto: pixabay.com).
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