Dienstag, 16. Juli 2024

Markenrecht: Ein Schokoriegel ist nicht per se ein Kuchen

Luxemburg / LU. (eugh) Das Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) muss erneut prüfen, ob die dreidimensionale Form des Produkts «Kit Kat 4 Finger» als Unionsmarke aufrechterhalten werden kann. Der Nachweis der durch Benutzung erlangten Unterscheidungskraft ist für alle betroffenen Mitgliedstaaten zu erbringen. So lautet das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache T-112/13, die die Mondelez UK Holdings + Services Limited gegen die EUIPO-Entscheidung zugunsten der Société des produits Nestle angestrengt hatte.

Im Jahr 2002 hatte Nestle demnach beim EUIPO eine dreidimensionale Marke als Unionsmarke angemeldet, die dem von ihr vermarkteten Produkt «Kit Kat 4 Finger» entspricht. Das von außen als schlichter Schokoriegel zu erkennende Produkt zählt vier Segmente. Das EUIPO trug die Marke im Jahr 2006 für folgende Erzeugnisse ein: «Bonbons; Bäckereierzeugnisse, feine Backwaren, Kleingebäck; Kuchen, Waffeln». Im Jahr 2007 beantragte Cadbury Schweppes (heute Mondelez UK Holdings + Services) beim EUIPO die Nichtigerklärung der Marke. Im Jahr 2012 wies das EUIPO diesen Antrag in der Erwägung zurück, dass die Marke von Nestle aufgrund ihrer Benutzung in der Union Unterscheidungskraft erlangt habe. Mondelez beantragte beim EuGH die Aufhebung der Entscheidung des EUIPO. Mit seinem jetzigen Urteil hebt das Gericht die Entscheidung des EUIPO auf.

Das Gericht erinnert zunächst daran, dass, wenn eine Marke für eine Gruppe von Waren eingetragen worden ist, die mehrere Untergruppen umfasst, der Schutz, der durch den Nachweis ausgelöst wird, dass die Marke für einen Teil dieser Waren ernsthaft benutzt worden ist, nur der oder den entsprechenden Untergruppen zuteil wird.

Nach Ansicht des Gerichts belegt keiner der vom EUIPO berücksichtigten Nachweise die Benutzung der Marke für Bäckereierzeugnisse, feine Backwaren, Kuchen und Waffeln. Demzufolge hat das EUIPO mit der Annahme, dass das in Rede stehende Produkt in jeder beliebigen der betreffenden Warengruppen enthalten sein könne, einen Rechtsfehler begangen.

Das Gericht weist sodann darauf hin, dass eine dreidimensionale Marke Unterscheidungskraft durch Benutzung auch dann erwerben kann, wenn sie in Verbindung mit einer Wortmarke oder einer Bildmarke benutzt wird, und dass der Erwerb von Unterscheidungskraft durch Benutzung voraussetzt, dass das angemeldete Zeichen die Eignung erlangt hat, die betreffende Ware als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen.

Das Gericht prüfte in der Folge die vom EUIPO berücksichtigten Nachweise wie insbesondere die Marktuntersuchungen im Gebiet von zehn Mitgliedstaaten, das Werbematerial und die Dauer der Markenbenutzung. Es bestätigt, dass es sich um Nachweise handelt, die geeignet sind, darzutun, dass die fragliche dreidimensionale Marke von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren wahrgenommen wird.

Zum Vorbringen von Mondelez, wonach Nestle nicht bewiesen habe, dass ihre Marke Unterscheidungskraft durch Benutzung im gesamten Unionsgebiet erlangt habe, führt das Gericht aus, dass der Nachweis der durch Benutzung erlangten Unterscheidungskraft für den Teil der Union erbracht werden muss, in dem die Marke keine originäre Unterscheidungskraft hatte, das heißt im vorliegenden Fall für die gesamte Union, wie sie zum Zeitpunkt der Anmeldung am 21. März 2002 mit ihren 15 Mitgliedstaaten bestand. Insoweit reicht es nicht aus, nachzuweisen, dass ein erheblicher Teil der maßgeblichen Verkehrskreise in der gesamten Union – alle Mitgliedstaaten und alle Regionen zusammengenommen – eine Marke als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der mit ihr bezeichneten Waren wahrnimmt. Im Fall einer Marke, die wie diejenige von Nestle keine originäre Unterscheidungskraft in der gesamten Union besitzt, muss nämlich der Nachweis der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft für alle betroffenen Mitgliedstaaten erbracht werden.

Ungeachtet des Nachweises, dass die streitige Marke in zehn Ländern (Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Finnland, Schweden und Vereinigtes Königreich) Unterscheidungskraft durch Benutzung erlangt hatte, durfte das EUIPO seine Prüfung nicht abschließen, ohne sich zu der Wahrnehmung der Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise unter anderem in Belgien, in Irland, in Griechenland und in Portugal zu äußern und ohne die für diese Mitgliedstaaten erbrachten Nachweise zu untersuchen.

Das Gericht gelangt zu dem Ergebnis, dass das EUIPO mit der Annahme, dass es nicht erforderlich sei, die durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft einer Marke für alle betroffenen Mitgliedstaaten nachzuweisen, einen Rechtsfehler begangen hat. Daraus folgt, dass das EUIPO eine neue Entscheidung zu treffen haben wird und dabei zu prüfen hat, ob die streitige Marke zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung Unterscheidungskraft aufgrund der Benutzung durch Nestle in den 15 betroffenen Mitgliedstaaten für die Waren «Bonbons und Kleingebäck» erlangt hatte.