Dienstag, 16. Juli 2024
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Handel im Wandel: Wie passen unsere Arbeitszeiten dazu?

Bremerhaven. (usp) Alleine in Japan zählt die Lawson Gruppe, Stand Juni 2019, exakt 14’691 Convenience- Stores (C-Stores). Hinzu kommen 2’236 Franchise-Filialen in China, 123 in Thailand, 45 auf den Philippinen, 44 in Indonesien sowie zwei auf Hawaii (USA). C-Store-Pionier ist zweifellos die US-amerikanische 7-Eleven Inc.. Gegründet 1927 in Dallas/Texas, zählt der Convenience-Experte heute gut 67’000 Franchise- Filialen in 17 Ländern rund um den Globus. In Japan zum Beispiel kommt 7-Eleven aktuell auf 20’337 C-Stores, während der US-amerikanische Heimatmarkt vergleichsweise schwächelt mit nur 9’367 Filialen.

Bei 126,86 Millionen Einwohnern kommt Japan aktuell auf (14’691 + 20’337=) 35’028‬ Convenience- Stores. Das sind im Schnitt 3’621 Einwohner je C-Store. Die werden in Zukunft nicht weniger werden, gerade weil die Bevölkerung altert – und obwohl das Bevölkerungswachstum minus 0,19 Prozent beträgt.

Convenience-Stores, wie sie die bundesdeutsche Gesetzgebung rund um Ladenöffnungs- und Arbeitszeiten nie zulassen würde, gehören weltweit zu den beliebtesten Treffpunkten in der Nachbarschaft. Sie sind die modernen Tante-Emma-Läden. Bei ihnen gibt es alles was das Herz begehrt. Außerdem haben sie immer ein offenes Ohr für ihr Klientel – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Drückt morgens um drei Uhr der Schuh, dann weiß man in Tokio/Japan oder Dallas/Texas sehr genau, wo sich die Kleinigkeit erledigen oder ein Wort wechseln lässt. Die soziale Komponente von C-Stores ist nicht zu unterschätzen. Es ist kaum zu leugnen, dass ihr weltweiter Erfolg mit auf dieser Komponente beruht.

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In Deutschland haben wir nicht mal die Chance zu erkennen, weshalb C-Stores weltweit so geschätzt werden und tief in ihren «Communities» integriert sind. In Bremerhaven haben wir einen riesengroßen Edeka-Markt mitten im Hafen. Der hat zwar auch 365 Tage im Jahr geöffnet – rund um die Uhr – und bietet alles, was das Herz begehrt. Doch so gut gestylt und organisiert wie er ist, ist er alles andere als ein Tante-Emma-Laden, der auch mal ein Ohr für einen verirrten Hartz-4-Empfänger hätte, Schichtarbeiter oder Seemann.

Die starren bundesdeutschen Gesetze und Verordnungen werden uns in eine andere Richtung lenken. Einerseits ließe es sich der Einzelhandel nicht zweimal sagen, hätte er die Chance, mehr auf Kundenwünsche einzugehen. Andererseits muss er sich was einfallen lassen, sollen Händler und Kunden trotz der bekannten Einschränkungen auch hierzulande die Möglichkeit erhalten, außerhalb der gestatteten Ladenöffnungs- und Arbeitszeiten zu interagieren.

Die Lösung liegt wahrscheinlich in einem Self-Service-System, das davon ausgeht, dass Leute nur einkaufen gehen, um Produkte zu kaufen. Der soziale Kontakt bleibt außen vor. Wie sich ein solches Self-Service-System umsetzen lässt und mit einer Handvoll Pilotprojekte auch schon realisiert wurde, beschreibt der Ladenkonzept-Experte Wanzl in einer Medienmitteilung wie folgt:

«Hinter dem 24-Stunden-Storekonzept steckt eine simple Idee: Kurzfristiger Bedarf sollte rund um die Uhr zu decken sein. Der Eintritt erfolgt per doppelten Scan eines QR-Codes innerhalb der Betreiber-App oder über den Barcode auf einer Kundenkarte, zuerst an einer Außenstele, um den Ladenvorraum zu betreten, dann an einer Gate-Lösung, um Zugang zum Store zu erhalten. Dabei erfasst das System automatisch die Kundennummer, der Eintretende wird authentifiziert. Anschließend bewegt er sich frei durch den Laden und bedient sich aus dem Sortiment. Nach dem Einkauf geht es zum Kassenbereich mit SelfScanning-Tunnel. Der Scanprozess startet nach einer erneuten Kunden-Identifizierung per App. Alle Artikel werden auf dem Kassenband platziert, digital erfasst und sowohl in der Produktliste innerhalb der App als auch auf dem Bildschirm am Self-Scanning-Tunnel angezeigt. Während des Scans wird die Warensicherung aufgehoben. Sind alle Produkte erfasst, wählt der Kunde seine präferierte Bezahlmethode, wie EC- oder Kreditkarte, Paypal oder auch Mobile-Payment und begleicht die Rechnung. Nun erhält er einen weiteren QR-Code, mit dem er den Store über ein ExitGate verlassen kann. Die 24/7 Stores erhalten je nach Lage und Betreiber einen individuellen Look. Ob im landestypischen Design an Flughäfen und Bahnhöfen oder im Corporate Design einer Drogeriekette oder eines Baumarkts, ob verspielt und detailverliebt oder reduziert und schlicht, Wanzl kreiert das passende Ladeninterieur.»

Das hat nichts mehr mit der eingangs geschilderten sozialen Wärme eines Convenience-Stores zu tun. Doch ermöglicht das unbemannte System zweifellos, dass wir künftig – selbst in Deutschland – rund um die Uhr einkaufen können, wodurch gerade Schichtarbeiter und andere Berufsgruppen mit ungewöhnlichen Arbeitszeiten Entlastung fänden. Alles nur eine Frage der Rationalität? Oder sollten wir mit Weitblick nicht doch lieber mal eingehend über unsere Ladenöffnungs- und Arbeitszeiten nachdenken? (Video: Wanzl über Youtube – Foto: Würth / Andi Schmid).