Dienstag, 16. Juli 2024
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Grundlagen: Backen ohne technische Enzyme

Barsinghausen. (db) Ende Juni hatten die Mitglieder des Vereins «Die Bäcker. Zeit für Geschmack» im Rahmen ihrer Mitgliederversammlung in Augsburg das Gespräch über den Einsatz technischer (exogener) Enzyme bei der Kleingebäckherstellung fortgesetzt. Am Ende des im Januar 2014 begonnenen Diskurses stand nun der Beschluss, die Möglichkeit der Verwendung technischer Enzyme ab Ende 2016 auszuschließen. Derzeit dürfen technische Enzyme nach den Zertifizierungsregeln des Vereins nur bei der Herstellung von Kleingebäck verwendet werden. Die Verwendung dieser isolierten Stoffe muss jedoch den Kunden gegenüber offen gelegt werden. Damit geht die Deklarationsvorschrift klar über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus.

Vor diesem Hintergrund hat sich eine zehnköpfige Arbeitsgruppe des Vereins zur Aufgabe gemacht, Verfahren – ohne Einsatz technischer Enzyme – zur Herstellung von Kleingebäck über Gärverzögerung zu optimieren. Das erste Arbeitstreffen fand Anfang September in der Bäckerei Köhler in Würzburg statt. Im Vorfeld waren kleine Kneter und eine spezieller Fermenter nach Würzburg gebracht worden. Rohstoffe und Zutaten wurden geprüft und ausgewählt, Backprotokolle und Rezepturen erstellt. In den vorbereiteten, unterschiedlichen Testreihen wurden dann vor Ort zum Beispiel fermentierte Vorteige in Kombination mit Malzmehlen und einer Reihe weiterer backtechnologisch wirksamer Zutaten erprobt. Die in den Rohstoffen vorhandenen (endogenen) Enzyme zu nutzen, verlangt Wissen, Erfahrung und Können. Doch genau das macht den Bäckerberuf aus. Im Zusammenhang mit den Testreihen werden auch die backtechnischen Eigenschaften unterschiedlicher Weizensorten und Mahlerzeugnisse unter die Lupe zu nehmen sein. Die ersten positiven Ergebnisse haben die Mitglieder der AG motiviert, die Erkenntnisse in die Praxis ihrer Betriebe zu übertragen und die Tests fortzusetzen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse wird dann die Verfahrens- und Rezeptur-Optimierung für das nächste Fachtreffen aufgebaut.

Technische Enzyme sind heute fast überall in der industrialisierten Lebensmittelproduktion zu finden. Im Bereich der Backwarenherstellung haben sie besonders für die Herstellung von Backwaren (zum Beispiel Brötchen), die als Teiglinge in den Bäckereien vorgefertigt, gekühlt oder gefroren gelagert und in den Ladenbacköfen abgebacken werden, eine technologische Bedeutung. Nur durch komplexe Backmittel und moderne Kälteanlagen wurde es ermöglicht, dass zu jeder Tages- und Nachtzeit im Ladenbackofen vorgefertigte Teiglinge abgebacken werden können. Ohne den Einsatz dieser für den Verein umstrittenen Stoffe können Teiglinge nur deutlich kürzer gekühlt gelagert werden und das fertige Produkt, zum Beispiel Brötchen, sieht erkennbar anders aus. Das betrifft auf jeden Fall das Volumen und häufig auch die Rösche (Krustenbeschaffenheit) der Kleingebäcke.

Im Fokus der Enzym-Diskussion im Verein stand nicht die Frage oder Forderung nach «Ergebnissen industrieunabhängiger Forschung hinsichtlich der gesundheitlichen Unbedenklichkeit exogener, mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellter Enzyme». Obwohl diese Frage besonders für die Anwender durchaus von Interesse wäre. Ausschlaggebend für die Entscheidung ist das handwerkliche Selbstverständnis der Bäcker und Bäckerinnen: «Jederzeit Souverän der Prozesse zu sein». Zu dieser handwerklichen Souveränität gehört das Vermögen, ohne den Einsatz isolierter Zusatzstoffe (deren spezifische physikalisch- chemische Wirkung den Herstellungsprozess und damit die Eigenschaften und Qualität von Backwaren in einseitiger Weise verändert) gute, geschmackvolle Brot und Backwaren herstellen zu können. Der Einsatz von Zusatzstoffen, deren Herstellungsprozess intransparent ist und in den Händen nur weniger industrieller Hersteller liegt, gewährleistet im Ergebnis zwar voluminöse Brötchen – darüber hinaus jedoch die Entstehung von Abhängigkeiten. Nicht zuletzt erschwert die Verwendung exogener Enzyme den Anspruch einzulösen, den Kunden gegenüber Transparenz bezüglich verwendeter Rohstoffe und Herstellungsverfahren zu garantieren, schreibt der Verein Die Bäcker. Zeit für Geschmack.