Dienstag, 16. Juli 2024

Großbäcker: Die Zukunftsaussichten sind im Wesentlichen erfreulich

Düsseldorf. (vdg / eb) Die bekannten Herausforderungen, vor denen die backenden Branchen stehen, sind auch im laufenden Jahr allgegenwärtig und waren deshalb Thema bei der Jahrespressekonferenz 2023 des Verbands Deutscher Großbäckereien (VDG) in Gütersloh. VDG-Präsidentin Prof. Dr. Ulrike Detmers, nunmehr seit zehn Jahren Sprecherin des Verbands, brachte die Bedeutung der Großbetriebe auf den Punkt, um dann auf die Lösungsansätze für bekannte Herausforderungen sowie auf die Innovationskraft der Branche einzugehen.

«Die Bundesnetzagentur (BNetzA) zählt den gesamten Bereich der Herstellung von Brot und Backwaren zu den «besonders schützenswerten Produktionsbereichen». Auch für Großbäckereien ist das von zentraler Bedeutung, denn die Summe der Großbetriebe in Höhe von 330 Betrieben im Jahr 2021 hat einen Marktanteil am Gesamtmarkt der Backwarenhersteller von gerundet 61 Prozent. Damit übernehmen Großbäckereien eine außerordentlich wichtige Rolle für die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln. Der Gesamtumsatz 2021 mit Brot und Backwaren beträgt 20,17 Milliarden Euro,» fasste die Verbandschefin in Gütersloh zusammen.

Kleinbetriebe – Mittelbetriebe – Großbetriebe

Die Tendenz zum One-Stop-Shopping, die schon vor der Pandemie zu beobachten war und sich mit Covid-19 beschleunigte, verändert allmählich die Messgrößen, mit denen die Großbäcker seit vielen Jahren arbeiten. Demnach verloren die Handwerksbäckereien im letzten Jahr etwa 10 Prozent Umsatz. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam der WebBaecker, als das Bäckerhandwerk seine entsprechenden Zahlen veröffentlichte. Die ungefähr 5’000 Filialbäckereien im Land kommen nach VDG-Rechnung auf einen Marktanteil von etwa 40 Prozent. Hierzu sind auch Betriebe zu zählen, die sowohl im Bäckerhandwerk als auch im Verband Deutscher Großbäckereien organisiert und nicht so leicht auseinanderzuhalten sind. Die Lieferbäckereien wiederum, spezialisiert auf den Lebensmittel-Einzelhandel und andere Großverbraucher, kommen heute auf einen Marktanteil von 45 Prozent mit leicht steigender Tendenz, nicht zuletzt dank des zunehmenden One-Stop-Shoppings.

JPK des Verbands Deutscher Großbäckereien in Gütersloh: Hauptgeschäftsführer Armin Juncker, Geschäftsführer Alexander Meyer-Kretschmer und Verbandspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Detmers gaben einen Überblick über die erfreuliche Entwicklung ihres Teils der backenden Branchen (Foto: VDG).20231018-GROSSBAECKER

Wo kaufen Verbraucher heute ihr Brot und Gebäck ein?

Um zu verstehen, wo Kunden und Gäste abzuholen sind, muss man wissen, wo sie einkaufen. Wie in Gütersloh zu vernehmen war, kommen Lebensmittel-Vollsortimenter »heute« – im ersten Halbjahr 2022 – auf 13 Prozent des Absatzes von Brot und Gebäck, Warenhäuser auf sechs Prozent, Bäckereien auf 32 Prozent, Discounter auf 24 Prozent, die Vorkassenzonen von Supermärkten auf 20 Prozent und sonstige Verkaufsstellen auf vier Prozent. Die Feststellung, dass am ehesten Bäckereien und die Vorkassenzonen Federn lassen mussten und nur die Discounter leichte Zuwächse erzielen konnten, passt sowohl zur seit Jahren zunehmenden One-Stop-Shopping-Tendenz als auch zur Tatsache, dass die Verbraucher angesichts von Ukraine-Krieg und Inflation schlicht ihr Geld zusammenhalten.

Welchen Trends die Leute trotz klammer Kassen dennoch folgen

Auch wenn der Cent heute eher dreimal umgedreht wird, bleibt immer noch was übrig, um sich was Gutes zu tun. Spätestens seit Covid-19 und der Zunahme der Umweltschäden und -katastrophen achten immer mehr Menschen darauf, dass ihre Ernährung gesundheits- und umweltbewusstere Charakteristika beinhaltet. »Vegane« und »pflanzenbasierte« Lebensmittel wachsen weltweit. Bei »pflanzenbasierten« Lebensmitteln geht es im Gegensatz zu »veganen« Pendants nicht zwingend um einen vollständigen Verzicht auf tierische Produkte, sondern nur um die Reduktion des Fleischverzehrs. Besonders die Verbrauchergruppe der Flexitarier wird in den nächsten Jahren noch größer. Flexitarier unterscheiden sich von Veganern dadurch, dass sie weniger Fleisch und viel pflanzliche Kost verzehren. Vom Trend zu gesundheits- und umweltbewusster Ernährung werden Bäckereien zweifellos profitieren, denn Brote und Backwaren sind tendenziell rein pflanzenbasiert und ohne tierische Zutaten sowie nachhaltig im Sinne eines globalen Umweltschutzes.

Beitrag der Großbäcker zur gesundheits- und umweltbewussten Ernährung

Stichwort Salzreduktion: Der Verband Deutscher Großbäckereien unterstützt seit Jahren die von der Bundesregierung verfolgte »Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten« und hat sich freiwillig verpflichtet, bis Ende 2025 einen durchschnittlichen Wert von 1,1 Prozent Salzgehalt anzustreben. Zum Teil erfüllen oder übererfüllen Verbandsmitglieder diese freiwillige Selbstverpflichtung bereits heute.

Seit mehreren Jahren reduzieren diese Backbetriebe regelmäßig und systematisch den Salzgehalt ihrer Backwaren. Über das gesamte Sortiment verpackter Backwaren dürfte der Salzgehalt im Schnitt noch bei etwa 1,2 bis 1,3 Gramm Salz pro 100 Gramm Fertigprodukt liegen. Diese Reduktionsschritte wurden in jahrelanger sogenannter »stiller Reformulierung« erreicht.

Verbesserte Rezepturen und Verfahrenstechniken ermöglichten es, die Reduktion ohne geschmackliche Einbußen stattfinden zu lassen. Durch die schrittweise Absenkung konnten sich die Verbraucher an den salzärmeren Geschmack gewöhnen und so wurde sichergestellt, dass keine Verminderung des ernährungsphysiologisch wichtigen Brotverzehrs eingetreten ist.

Stichwort Nutri-Score: Der Nutri-Score ist eine farbliche Nährwertkennzeichnung, vergleichbar mit einer Ampel. Das Zeichen zeigt mit Hilfe der Farben dunkelgrün, hellgrün, gelb, orange und rot und der Buchstaben A, B, C, D, E die Nährstoffbilanz eines Lebensmittels. Die Information bezieht sich auf jeweils 100 Gramm. Der Nutri-Score muss auf der Vorderseite einer Lebensmittelverpackung gut sichtbar zu sehen sein.

Ausgewählte Großbäckereien waren die ersten, die den Nutri-Score auf ihren verkehrsfähigen Verpackungen abgedruckt haben. Für zahlreiche Verbraucherinnen und Verbraucher ist seit seiner Einführung im Jahr 2020 dieser ein wichtiger Richtwert beim Einkauf. Brote und Backwaren mit einem hohen Ballaststoffgehalt kennzeichnet das dunkelgrüne A des Nutri-Scores. Mischbrote werden meistens mit dem Buchstaben B (günstige Nährstoffbilanz, zum täglichen Verzehr geeignet) gekennzeichnet. Reine Weizenbrote charakterisiert in der Regel der Buchstabe C (mittlere Günstigkeit der Nährstoffbilanz).

Seit dem Sommer 2022 wird der Algorithmus des Nutri-Scores umfassend überarbeitet. Im Bereich Brot- und Backwaren ist dabei das Ziel, Vollkornbrote und Brote aus raffiniertem Mehl besser zu differenzieren. Ballaststoffe werden gemäß Berechnung nach dem neuen Algorithmus nur noch mit Werten ab drei Gramm Ballaststoffe je 100 Gramm Produkt positiv berücksichtigt. Gleichzeitig erfolgte eine deutliche Verschärfung der Negativ-Wertung von Salz, ebenso wie Änderungen bei der Bewertung des Proteingehalts.

Ergo: Der neue Algorithmus zielt darauf ab, dass die Menschen bitte mehr Vollkornbrote mit hohem Ballaststoffgehalt und geringeren Salzmengen verzehren mögen.

Wohlstandskrankheiten wie Bluthochdruck, Übergewicht, Zuckerkrankheit, Gicht und weitere Stoffwechselerkrankungen würden durch eine vegane und ballaststoffreiche Ernährung deutlich zurückgehen. Von der Zunahme pflanzenbasierter Nahrung könnte auch die Umwelt sehr profitieren. Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisationen der Vereinten Nationen verursacht die industrielle Tierhaltung rund 15 Prozent der Treibhausgasemissionen. Mit Blick auf künftige Entwicklungen, die so oder so eintreffen, haben Bäckereien also allen Grund zu Optimismus.

Der einsetzende Klimawandel verursacht schon heute hohe Kosten

Einen kleinen Vorgeschmack auf das, was die Rohstoffverfügbarkeit zunehmend beeinträchtigt, bekam zur Ernte 2023 die Getreidewertschöpfungskette. Zugleich wurden und werden Anstrengungen unternommen, die Getreidewirtschaft «von der Saat bis zur Semmel» in eine enkeltaugliche Richtung zu lenken. Die Kollision mit dem Dauerregen, der noch dazu zur falschen Zeit kam, brachte etliche Stellschrauben in Erinnerung, an denen sich drehen lässt, um backfähige Mehle auszuliefern und zu verarbeiten. Wie zu erwarten war, haben die Fachleute in den Mühlen ihre Aufgabe gut gelöst. Doch geht das natürlich nicht ohne zusätzliche Kosten, die auch in Zukunft eher zunehmen als abnehmen werden. International betrachtet warnten die USA schon sehr früh vor einer Weizenernte unter Schnitt. Während der deutsche Roggen und Weizen im Morast versank, hatte die Sonne in Übersee längst etliche Weizenfelder verbrannt – mit entsprechenden Auswirkungen an den Getreidebörsen.

So ließen sich noch etliche Rohstoffe bis hin zum Verpackungsmaterial durchdeklinieren in Abhängigkeit zu Wetterkapriolen, kriegerischen Auseinandersetzungen und anderen Einflußgrößen, die für das Steigen und Fallen von Preisen herangezogen werden. Kurzum: Sind die Abgabepreise für Brot und Gebäck im Schnitt um 15 Prozent gestiegen, dann ist das in der Regel wohl begründet (Titelfoto: pixabay.com).