Dienstag, 16. Juli 2024
20180131-WASSER

EuGH Nitrat-Urteil: Wie ist das zu bewerten?

Hamburg. (eb) Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat Deutschland wegen der Verletzung von EU-Recht verurteilt, weil die Bundesregierung zu wenig gegen Nitrate im Grundwasser unternommen hat (ECLI:EU:C:2018:481). Aktuell zirkuliert nur eine DPA-Mitteilung als Zusammenfassung, eine eigene Pressemitteilung des EuGH lässt noch auf sich warten (Stand: 2018-06-21 | 13:00). Wie ist das Urteil zu bewerten? Eine Mitteilung des Deutschen Bauernverbands (DBV) und ein Appell des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) ordnen den Vorgang unterschiedlich ein. Auch der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) meldet sich zu Wort wie folgt:

DBV: Urteil basiert auf alter Rechtsgrundlage

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur unzureichenden Umsetzung der Nitratrichtlinie ist der Abschluss eines alten und mittlerweile in der Sache überholten Verfahrens und bestätigt damit die Einschätzung des Deutschen Bauernverbands (DBV). «Das Urteil ist eine – wenn auch detaillierte – Bewertung einer längst überholten Rechtsgrundlage, nämlich der düngerechtlichen Vorschriften mit dem Stand von 2014. Es leistet daher keinen nennenswerten Beitrag zur Diskussion über die seit 2017 geltende neue Düngeverordnung», sagt DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. Der EuGH bestätigt wörtlich, dass die mit Gründen versehene Stellungnahme der EU-Kommission aus dem Jahr 2014, aber «später eingetretene Veränderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt» worden sind, schreibt der Bauernverband.

Krüsken: «Deutschland hat gehandelt und neue weitreichende Anforderungen an die Düngung im Sinn des Gewässerschutzes geschaffen, die derzeit von den Landwirten bereits umgesetzt werden. Außerdem gehen wir davon aus, dass die EU-Kommission das neue Düngerecht mit den weitreichenden Änderungen im Sinne des Gewässerschutzes nicht ignorieren wird».

VKU: Klare Worte für klares Wasser

«Das Urteil des Gerichtshofs zeigt deutlich, dass Deutschland 2014 noch nicht das Notwendige getan hat, um die Nitratrichtlinie umzusetzen und strengere Maßnahmen gegen Gewässerverunreinigungen zu ergreifen. Der Gerichtshof hat sich erwartungsgemäß nicht explizit dazu geäußert, ob die Änderungen im novellierten Düngerecht 2017 hier Abhilfe geschaffen haben. Diese Frage war nicht Gegenstand des Verfahrens», sagt Karsten Specht, Vizepräsident des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU).

Der Gerichtshof bescheinigt früheren Bundesregierungen einen sehr zögerlichen Umgang mit der Nitrat-Problematik. Das jetzige Urteil wendet sich deutlich gegen jegliche hinhaltende Argumentation, trotz wahrnehmbarer Grundwasserbelastungen. Auf Grundlage dieser Aussagen ist es aus Sicht der kommunalen Wasserwirtschaft notwendig, auch die aktuellen Regelungen des Düngerechts noch einmal zu überprüfen. Es spricht einiges dafür, dass die deutschen Regelungen, beispielsweise zu Sperrzeiten und zu Flächen, die für das Düngen ungeeignet sind (wie etwa das Düngen auf gefrorenen Böden) noch nicht ausreichend sind, um die von der Nitratrichtlinie getroffenen Vorgaben einzuhalten. In diesem Fall droht ein weiteres Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Eine nochmalige Niederlage vor dem EuGH wäre teuer, da das Gericht Zwangsgelder verhängen kann. Für die kommunale Wasserwirtschaft ist es allerdings wesentlich wichtiger, dass übermäßige Nitrat-Einträge in unsere Gewässer endlich konsequent reduziert werden.

«Wir werden nicht müde, das Augenmerk auf das «Vorher» und damit das Verursachen von Verunreinigungen der Ressourcen für die Trinkwassergewinnung zu lenken, statt uns mit der für den Wasserkunden teurere Reinigung «hinterher» zu begnügen. Nur so können wir unsere Trinkwasserressourcen wirksam schützen», schließt der VKU seinen Appell an die Politik.

BÖLW: Der Steuerzahler büßt jetzt dreifach

Der Europäische Gerichtshof bestraft die Bundesregierung, weil die Düngeregeln schädliche Nitratüberschüsse nicht ausreichend eindämmen. «Dafür büßt der Steuerzahler dreifach», sagt Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). «Die Bürger zahlen die Subventionen für eine Landwirtschaft, die zu viel Stickstoff düngen darf, tragen die steigenden Kosten der Trinkwasser-Reinigung und kommen für die hohen Strafzahlungen aufgrund schlechter Regeln und mangelhaftem Vollzug auf».

Das Nitraturteil und die negativen Folgen könnte man verfehlter Politik der Vergangenheit anlasten, wenn das neue Düngerecht dem Problem jetzt endlich zu Leibe rücken würde. Das ist aber leider nicht der Fall. Denn wie eine neue wissenschaftliche Untersuchung zeigt, werden die neuen Regeln «keine nennenswerte Reduzierung der Stickstoff-Überdüngung und damit von Nitrat-Einträgen ins Grundwasser» bewirken.

«Es braucht ein wirksames Düngerecht, damit die Betriebe umsteuern müssen, die das Grundwasser verschmutzen», betont Löwenstein. Das müsse dazu führen, dass auf der Fläche nur so viele Tiere gehalten werden, wie Böden und Gewässer verkraften. Ohne diesen wichtigen Schritt könne der Nitratüberschuss in unseren Gewässern nicht ausreichend reduziert werden. Auch leicht lösliche Stickstoffdünger, die Probleme verursachen, weil ein hoher Teil des Nährstoffes gar nicht von den Pflanzen aufgenommen wird, müssten im Düngerecht mitgeregelt und deren Ausbringung aus der Perspektive des Gewässerschutzes reglementiert werden.

«Wir fordern Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf, schnellstmöglich Konsequenzen aus der wissenschaftlichen Kritik am Düngerecht zu ziehen. Es drängt die erforderliche Neujustierung. Die legale Nitratverschmutzung muss durch wirksame Regeln und Vollzug gestoppt werden! Und diejenigen, die Gewässer schützen, müssen entlastet werden», schließt Löwenstein seine Ausführungen (Foto: pixabay.com).