Dienstag, 16. Juli 2024
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«Der nächste bitte!»: Über das Ringen mit der Belegausgabepflicht

Bremerhaven. (usp) Die Bürokratie hat zugenommen. Das liegt unter anderem an Gesetzen und Verordnungen, über deren Sinn oder Unsinn wir an dieser Stelle nicht debattieren wollen. Uns stört die Umsetzung, fehlende systematische Vorbereitung ebenso wie fehlende Standards. Viel Arbeit, die doppelt und dreifach zu erledigen ist, weil es immer wieder zu Technologie-Brüchen kommt zwischen – zum Beispiel – längst digitalisierten Arbeitsabläufen einerseits, sowie wichtigen Mitteilungen in analogen Briefkästen andererseits, die aufwändig zu scannen und zu katalogisieren sind. Das hält auf und trägt dazu bei, dass vielerorts der mehrfache Aufwand kaum noch zu bewältigen ist.

Frustration macht sich breit auch über die Umsetzung der Kassensicherungsverordnung. Gemessen an der Qualität mancher Berichte aus der Tagespresse könnte man meinen, dass die Ende 2019 gänzlich unerwartet vom Himmel fiel. Das zu beurteilen überlassen wir jedoch Anderen. Unsere Aufgabe sehen wir darin, unabhängig von einzelnen Befindlichkeiten systematisch die Freiheitsgrade abzuklopfen, die «Geschichte» sind oder sich gerade neu eröffnen.

Dabei sind wir in der Politik angekommen und haben mit Matthias Goeken gleich einen kompetenten Gesprächspartner gefunden, der sich mit dem Thema auskennt. Der erfolgreiche Bäckermeister aus Bad Driburg sitzt seit Juni 2017 als Abgeordneter des Kreises Höxter im nordrhein-westfälischen Landtag. Dort vertritt er selbstverständlich auch die Interessen des Bäckerhandwerks:

WebBaecker: Herr Goeken, die medial wirksamen Präsentationen, aktuell quer durch die ganze Republik anzutreffen, sind nicht vollständig. Wo sind neben den vielen Kassenzetteln das Einweggeschirr, die Tüten, Folien und Pappbecher geblieben?

Matthias Goeken (MdL): Das Hauptproblem bei der Umsetzung des Kassengesetzes besteht derzeit nicht darin, dass mit der Belegausgabepflicht mehr Kassenzettel entstehen, sondern vielmehr, dass die Umrüstung der Kassen mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) nicht schnell genug erfolgt. Das Bild mit den Kassenzetteln hat sich schlicht verselbständigt.

WebBaecker: Die Kassensicherungsverordnung geht auf eine EU-Richtlinie von 2006 zurück. Seit vielen Jahren strebt das Bundesfinanzministerium in Einklang mit dieser Richtlinie die Fiskalisierung eines jeden Geschäftsvorfalls an. Erstmals offen ausgesprochen hat das der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble in seiner Funktion als Bundesfinanzminister. Sogar auf Wikipedia lässt sich nachlesen, dass der heutige Bundestagspräsident schon 2010 einen verschärften Kampf gegen Steuerhinterzieher forderte. Wie kann es sein, dass das Kassengesetz – bei offensichtlich ausreichender Vorlaufzeit – bis heute den Eindruck macht, es sei mit heißer Nadel gestrickt?

Matthias Goeken (MdL): Auf Druck der SPD und des damaligen NRW-Finanzministers Norbert Walter-Borjans (SPD) ist das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen, mit Zustimmung des heutigen Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU), im Jahr 2016 verabschiedet worden. Von einer generellen Registrierkassenpflicht hat der Gesetzgeber hingegen abgesehen.

Einerseits hat das Gesetz seine Schwächen, andererseits geht es sehr ins Detail. Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass der Schutz vor Steuerhinterziehung durch Datenmanipulation für uns ein wichtiges Anliegen ist. Dem Staat entgehen jährlich zweistellige Milliardenbeträge. Ausnahme- und Härtefallregelungen können zwar beantragt werden, doch ist dies sehr umständlich und bürokratisch geregelt und diese Regelungen werden außerdem sehr selten zugelassen. Die NRW-Koalition fordert mehr Maß und Mitte.

WebBaecker: Damit sind wir beim Stichwort Belegausgabepflicht angekommen. Denken Sie nicht, dass sich der Rummel der letzten Wochen erledigt, sobald die Betriebe mehr Übung haben mit der neuen Situation?

Matthias Goeken (MdL): Die Belegausgabepflicht ist so ausgestaltet, dass es VerkäuferInnen frei steht Belege auf Papier, per E-Mail oder auf das Handy auszugeben. Allerdings sind die technischen Voraussetzungen in Deutschland vielerorts noch nicht gegeben. Daher entstehen in Deutschland weiterhin Milliarden von Papierkassenbons, die nur selten ein Kunde verlangt. Perspektivisch bleibt aber festzuhalten, dass die digitale Übertragung von Kassenzetteln in anderen europäischen Ländern heute zur Normalität gehört.

WebBaecker: Sagen Sie uns noch mal was zur Verhältnismäßigkeit und zu Maß und Mitte, die Sie sich für die Umsetzung des Kassengesetzes wünschen.

Matthias Goeken (MdL): Die Kassen-Nachschau durch die Finanzbehörden bietet schon viele Möglichkeiten, Betrügern erfolgreich auf die Schliche zu kommen. Gleichzeitig verläuft die derzeitige Umsetzung des Kassengesetzes zäh. Hier hinken alle Akteure bei der Umstellung hinterher. Keine Frage: Der derzeitige Zustand ist für einen gerechten Steuervollzug schädlich und benachteiligt alle ehrlichen Kaufleute.

Andererseits müssen wir aber auch zur Kenntnis nehmen, dass viele Fragen in der Praxis noch nicht geklärt sind. Deshalb ist die Frist zur Umstellung auf den 01. September 2020 verlängert worden. In Metzgereien sind zum Beispiel die Kassen und Waagen verbunden, wodurch der Umbau komplizierter ist und es noch keine sichere Lösung gibt.

Oder was ist, wenn in der Bäckerei tatsächlich nur ein einzelnes Brötchen oder eine einzelne Kugel Eis gekauft wird. Muss ich auch dafür künftig immer mein Handy zücken oder einen Kassenzettel annehmen? Auch das ist nicht zuende gedacht: Zwar muss der Verkäufer den Beleg ausgeben. Doch ist der Käufer nicht verpflichtet, ihn mitzunehmen.

Maß und Mitte bedeutet für uns, dass wir uns selbstverständlich dafür einzusetzen, dass die Umrüstung bestehender Kassensysteme umgehend erfolgt. Außerdem müssen wir Maßnahmen zur Umsetzung eines elektronischen Belegs über Handy oder E-Mail auf den Weg bringen. Mit Blick auf die Evaluierung des Kassengesetzes, die in zwei Jahren erfolgen soll, setzen wir uns aber auch dafür ein, dass Kleinstbeträge von der Belegpflicht ausgenommen werden. Bis dahin liegt es an den Finanzbehörden, im Einzelfall besondere Umstände zu erkennen und sie zu berücksichtigen (TitelFoto: Landtagsbüro Matthias Goeken MdL – TextFoto: pixabay.com).

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