Detmold. (eb / agf) In Zusammenarbeit mit dem Max Rubner-Institut, Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide (MRI), veranstaltete die Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung (AGF) am Dienstag und Mittwoch dieser Woche die 75. Bäckerei-Technologie-Tagung (BTT). Der amtierende AGF Ausschuss für Bäckerei-Technologie präsentierte ein vielseitiges Programm, das die Themen dieser Zeit aufgriff und Fragen diskutierte, die die backenden Branchen heute und morgen beschäftigen. Rund 120 Teilnehmende aus Bäckerei, Forschung und Industrie folgten nur 14 Tage nach Beendigung der Südback 2024 der Einladung auf den Schützenberg. Zum Rahmenprogramm gehörte ein traditionelles Grünkohlessen ebenso wie ein geselliger Abend zum Netzwerken und Genießen zwischen Teehaus und Stratosphäre.
Eröffnet wurde die 75. Bäckerei-Technologie-Tagung von Georg Heberer – Wiener Feinbäckerei Heberer – in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des AGF Ausschusses für Bäckerei-Technologie. Dem schloss sich die Ehrung der besten «Detmolder Backmanager (IHK)» des Jahrgangs 2024 an. Das Veranstaltungsmanagement lag erstmals in den Händen von Geschäftsführer Dipl.-Ing. Konstantin Golombek. Der studierte Agrarökonom kam Mitte Februar nach Detmold und übernahm im April 2024 die vollständigen Aufgaben von Rechtsanwalt Tobias Schuhmacher. Seither leitet er die Geschäfte der Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung (AGF), der Detmolder Getreide- und Fettanalytik GmbH (DIGeFa) sowie der Vereinigung der Backbranche (VDB).
«Ich freue mich sehr über meine neue Aufgabe. Detmold ist für mich die Top-Adresse, um die Getreide-Wertschöpfung weiter in die Zukunft zu entwickeln,» sagt Konstantin Golombek.
Thematisch eröffnete Rechtsanwalt Alexander Meyer-Kretschmer, Geschäftsführer beim Verband Deutscher Großbäckereien in Düsseldorf, die Veranstaltung mit einer Zusammenfassung von Neuigkeiten im Lebensmittelrecht. Aktuell auf der Agenda: die Acrylamid-Empfehlung des Verbands, jodiertes Speisesalz in der Bäckerei sowie die Neuformulierung der Leitsätze für Brot und Kleingebäck und mögliche Konsequenzen daraus. Stichworte, die an anderer Stelle noch näher zu beleuchten sind.
«Big Data» aus der Mühlenwirtschaft stellten Dr. Elisabeth Sciurba von der Arbeitsgruppe Lebensmittel aus Getreide am MRI und Dr. Jens Begemann vom Arbeitsbereich Müllerei- und Zerkleinerungstechnologie am MRI vor. Unter dem Titel «30 Jahre Mühlenmuster und Handelsmehle» gaben sie einen Überblick über die Eigenschaften von Mühlenmustern und Handelsmehlen über Jahrzehnte hinweg. Die Langzeitbetrachtung dient einerseits der Vergewisserung. Andererseits lässt sie Schlussfolgerungen auf gegenwärtige und künftige Entwicklungen zu. Wie aktuell die Erkenntnisse sein können, zeigten verschiedene Beispiele.
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An diesen Vortrag schloss nahtlos die Erörterung «Cadmiumgehalte in der Weizen- und Roggenernte» von Dr. Alexandra Hüsken an, Leiterin der Abteilung Getreideanalytik am MRI, Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide. Die Cadmium-Gehalte der bundesdeutschen Getreideernte 1975 bis 2021 lägen zwar auf einem insgesamt niedrigen Niveau, doch seien Gehaltsschwankungen zu beobachten, deren Ursachen nicht immer geklärt werden könnten. Grob gesagt lässt sich feststellen, dass die Cadmium-Gehalte lange Zeit kontinuierlich sanken. Eine Erklärung kann das für Mineraldünger verwendete Phosphat sein. Kommt das Phosphat aus Osteuropa, sinkt der Cadmium-Gehalt bei Mineraldünger. Wird es aus dem Maghreb importiert, steigt der Gehalt. Mit dem Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine verschloss sich Düngemittelherstellern die osteuropäische Phosphatquelle – mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Lebensmittelversorgung. In der Ernährung spiegeln sich diese Ereignisse zwar alle auf einem insgesamt niedrigen Niveau wider. Grenzwerte werden bei Erwachsenen nicht überschritten. Doch zeigten europaweite Untersuchungen, dass besonders Kleinstkinder, Vorschulkinder, Schulkinder und Jugendliche gefährdet sind und die Cadmium-Aufnahme deutlich über dem Grenzwert liegen kann.
Wie bringt man nun Landwirte dazu, im Sinn einer gesunden Ernährung ihr «Business as usual» besser zu hinterfragen? Mancher Getreidebauer will lieber heute als morgen aus seinen Konventionen heraus, sieht aber die Mittel nicht, mit denen er seine Unterstützung für die Umwelt und den Planeten finanzieren kann. Der Deutsche Bauernverband als Vertreter der Agrar- und Düngemittelindustrie ist kaum Hilfe. Neue Ideen müssen her, auch wenn das zunächst bedeutet, Doppelstrukturen zu finanzieren: Auf der einen Seite die manifestierten Strukturen der Agrarindustrie, die sich um die Subventionstöpfe der Europäischen Union scharen. Auf der anderen Seite die von Brüssel und den nationalen Regierungen mehrfach enttäuschten Bürger, die nach neuen Wegen suchen müssen, um den nötigen Wandel – als Graswurzelbewegung – endlich in die Tat umzusetzen. Einen interessanten Ansatz präsentierte in Detmold Karina Rosenthal von der Agreena ApS in Kopenhagen (DK) mit dem Vortrag «Regenerative Landwirtschaft mit Carbon Farming finanzieren und die Lieferkette sichern». Agreena ist das größte Carbon-Farming-Programm Europas und hat schon 4,5 Millionen Hektar Landwirtschaftsfläche für die Umwandlung in regenerative Agrarwirtschaft unter Vertrag. Die Liste der Investoren ist beeindruckend und zeigt, wie groß europaweit der Wunsch ist, sich weiter einzusetzen für die Umwelt und Natur als Basis jeder gesunden Ernährung.
Was abzusehen ist, lässt «die Welt» den Dingen ihren Lauf und strapaziert Ressourcen weiter bedenkenlos, machte Hans-Werner Kröger von Dübör in Bad Salzuflen am Beispiel Trennmittel deutlich. Ölsaaten und Ölpflanzen sind das tägliche Geschäft des gelernten Groß- und Außenhandelskaufmanns. Wer seinen Ausführungen folgte glaubt nicht mehr daran, dass die Preise für Öle und Fette noch mal deutlich sinken. Einerseits haben Öle und Fette in der Lebensmittelwirtschaft heute mit Biokraftstoffen einen starken Konkurrenten. Andererseits sind die Rohstoffe immer stärker durch extreme Wetterereignisse beeinflusst. Auch die Transportkosten spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Zusammengefasst lautet die Tendenz, dass das Leben für die entwickelte Welt «nur teurer» wird, während es in anderen Regionen unbezahlbar werden kann. Die Betrachtungen Krögers lassen sich 1:1 auf viele andere Rohstoffe übertragen.
Soll sich «die Welt» und mit ihr die backenden Branchen von jeder neuen Katastrophe überraschen lassen? Und in Erklärungsnot geraten, decken fachfremde Organisationen mal wieder einen (Pseudo-) Skandal auf? Die beste Waffe gegen lückenhafte Recherchen sind verlässliche Zahlen. Wer die Meinungsführerschaft von vornherein sichern und mögliche Diskussionen initiativ und/oder reaktiv steuern will, muss vorsorgen. Zudem dienen verlässliche Datenreihen immer auch der Selbstvergewisserung. Daran erinnerte Prof. Dr. Peter Köhler von der biotask AG in Esslingen im Rahmen seines Vortrags «Kontaminanten in Bäckerei-Rohstoffen: Sicherheit durch Monitoring». Als Beispiele griff Köhler das Europäische Getreidemonitoring für Getreide und Getreideverarbeitungserzeugnisse (EGM) und das Ölsaaten-Monitoring (OSM) heraus. Beide Aktivitäten sind getragen von Verbänden der Getreidekette und haben das Ziel, Datensammlungen über Rückstände, Kontaminanten und den Hygienestatus von Getreide und Verarbeitungserzeugnissen sowie von Ölsaaten aufzubauen. Diese Daten werden ausgewertet und den teilnehmenden Unternehmen in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt. Sie stellen damit einen wichtigen Baustein der Erfüllung der Sorgfaltspflicht der Unternehmen dar. Die aufbereiteten Daten können auch pro-aktiv genutzt werden und sind damit ein wichtiger Beitrag zum Informationsmanagement, sowohl vorbeugend als auch im Krisenfall.
Insgesamt bot die 75. Bäckerei-Technologie-Tagung (BTT) den Teilnehmenden ein Programm mit vielen Facetten. Einsichten und Ansichten und hier und da die Einladung zum Querdenken lockerten den Geist und boten viel Gesprächsstoff in den Kommunikationspausen. Den einen und den anderen Beitrag wird die Redaktion in den kommenden Wochen noch separat veröffentlichen (Fotos: BacknetzMedien).
Eine kleine Fachausstellung im Rahmenprogramm zeigte Innovationen aus dem Food- und Nonfood-Sektor von Aiperia (Großrinderfeld), Dübör (Bad Salzuflen), Ernst Böcker (Minden), GRS Software (Kirkel), ITT International Technical Textiles (Halle/Saale), Kaak Food Processing Systems (NL-Terborg), RAPS (Kulmbach), Rheon Automatic Machinery (Düsseldorf), RONO Maschinenbau (Selmsdorf), Uniferm (Werne) sowie Vemag Maschinenbau (Verden). Ein Ausstellerforum vertiefte diese durch kurzweilige Vorträge zu den Themen: «Rheon V4-Abwieger – Aktuelle Entwicklungen», Peter Cleven, Rheon Automatic Machinery; «Die Böcker Sourdough-Language – Aroma Nuancen beschreiben und begeistern», Martin Göttlich, Ernst Böcker; «Cleanbake: Gartücher – abgestimmt auf Ihre Bedürfnisse – Made in Germany», Olesia Schweiger, ITT; «Make or buy – Backfette für den Eigenbedarf produzieren», Wilhelm Melchers, RONO Maschinenbau; «Mit Künstlicher Intelligenz wird präzise Planung zu Ihrem Wettbewerbsvorteil», Florian Strecker, Aiperia.
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