Bonn. (aid) «Essen können Sie nicht vermeiden», sagte Professor Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) bei einem Fachsymposium in Berlin. Neben erwünschten Stoffen wie Mineralstoffe und Vitamine, Energie und Aromen, nehmen Verbraucher auch zahlreiche unerwünschte Stoffe wie Dioxine, Schwermetalle oder Arzneimittelrückstände mit der Nahrung auf.
Die Nationale Verzehrsstudie II hat analysiert, was die Bundesbürger essen. Das Lebensmittel-Monitoring ermittelt jährlich die Belastungen einzelner Lebensmittel. Doch welcher Exposition an Gefahrstoffen sich die Konsumenten vor dem Teller wirklich aussetzen, ist damit noch immer nicht geklärt. Zum einen verändern Kochen, Grillen, Dämpfen und andere Zubereitungsarten die Ausgangsstoffe. Manche Moleküle werden zerstört, andere, wie Acrylamid, entstehen erst in der Küche. Zum anderen bilden die Ergebnisse aus der Verzehrsstudie und dem Lebensmittel-Monitoring nicht die Realität ab. So ermittelt die Studie bei Männern und Frauen eine tägliche Kochsalzaufnahme von sieben und 4,9 Gramm am Tag. Für Professor Helmut Heseker von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung befinden sich die Daten noch im Rahmen.
Wenn allerdings der Kochsalzgehalt im Urin gemessen wird, erhöhen sich die Werte auf zehn und 8,6 Gramm pro Tag. Woher kommt also das ganze Salz? Aus welchen anderen Quellen nehmen die Menschen diese Mengen auf?
Um das aufzuschlüsseln, startet das BfR das Projekt MEAL: «Mahlzeiten für die Expositionsschätzung und Analytik von Lebensmitteln». Hinter dem Akronym steht eine Total-Diet-Studie (TDS), die erstmals Anfang der 1960er Jahre in den USA durchgeführt wurde. Heute dienen solche Studien der Aufklärung, welche Risikostoffe, Mineralstoffe und Vitamine die Menschen tatsächlich aufnehmen. Von Österreich über Libanon, von Neuseeland bis Malaysia führen bereits mehr als 50 Länder solche TDS-Studien durch.
Derzeit befindet sich das BfR noch in der Abstimmung mit den Bundesländern, erklärt Studienleiter Dr. Oliver Lindtner. Deutschland wird in vier Regionen aufgeteilt und Teams kaufen jeweils in drei Regionen Lebensmittel in Supermärkten und Bioläden ein. Rund 90 Prozent der gängigen Lebensmittel inklusive verarbeiteter Produkte werden abgedeckt. Vergleichbare Lebensmittel werden «gepoolt», die Proben homogenisiert und in einer speziell auf dem BfR-Gelände gebauten Küche nach gängigen Kochverfahren zubereitet. Externe Labors führen die Analysen durch, das BfR wertet aus.
Die Ernährungswissenschaftler fahnden nach einem Basispool an Schadstoffen, zusätzlich nach Tierarzneimittel- und Pflanzenschutzmittelrückständen, nach Stoffen, die durch die Zubereitung und über die Verpackung in die Speisen kommen. Professor Heseker erhofft sich eine Komplementierung der Nährstofftabellen und D-A-CH-Referenzwerte bis hin zur Analyse, welche Fettsäuren die Menschen aufnehmen. Das BfR erwartet eine Aussage über die Gesamtexposition.
Ob das Ergebnis, das erst in einigen Jahren vorliegen wird, dann zu einer «gesünderen Ernährung» führen kann, bleibt offen. Doch, sagt Heseker: «Die Sachargumente gewinnen an Qualität». Hensel ist schon jetzt überzeugt: «So sicher wie heute waren unsere Lebensmittel noch nie», schreibt der aid Infodienst (Bild: pixabay.com).
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