Dienstag, 16. Juli 2024

Trotz gegenteiligem Rat: Ampel verabschiedet Agrarpaket

Berlin | Bonn. (bund) Die Monopolkommission hat in der 27. Kalenderwoche ihr Hauptgutachten «Wettbewerb 2024» überreicht. Das Gutachten beleuchtet zahlreiche politisch relevante Fragestellungen, die für die Stärkung eines wirksamen Wettbewerbs in Deutschland entscheidend sind und gibt der Politik konkrete Handlungsempfehlungen. «Die digitale und sozial-ökologische Transformation wird in Deutschland nur gelingen, wenn dazu die Preisdämpfungs- und Innovationskraft des Wettbewerbs genutzt werden», betonte der Vorsitzende der Monopolkommission, Professor Jürgen Kühling, in Berlin.

Maßnahmen für mehr Fairness in der Lebensmittellieferkette

In ihrer Konzentrationsanalyse hat die Monopolkommission signifikante Machtverschiebungen innerhalb der Lebensmittelversorgungsketten seit 2007 identifiziert. Die Entwicklung der Preise und Kosten zeigt, dass Erzeuger im Mittel immer geringere Preisaufschläge erzielen, während Hersteller und besonders der Handel an Macht gewinnen. Das zeige, dass gesetzliche Maßnahmen, die in den letzten Jahren eingeführt wurden, um die Wettbewerbsposition der Erzeuger zu stärken, ohne nachhaltige Wirkung geblieben sind. Die Monopolkommission plant, die Ursachen dieser Entwicklungen nun genauer zu untersuchen und zielgerichtete Interventionsmöglichkeiten zu bewerten. Von einer kurzfristigen Ausweitung des Agrarorganisations- und Lieferkettengesetzes ohne tiefer gehende Analyse rät die Monopolkommission dagegen ab, da die Maßnahmen potenziell unwirksam oder sogar schädlich sein könnten.

Bundestag verabschiedet Gesetze zur Entlastung der Agrarwirtschaft

Davon unbeeindruckt hat der Deutsche Bundestag in der 27. Kalenderwoche grünes Licht für mehrere Gesetze zur Entlastung der Landwirtschaft gegeben, zu denen unter anderem die Absicht gehört, die Stellung der Landwirte gegenüber dem Handel zu verbessern. Der Bericht aus dem Parlament:

Anfang des Jahres waren Bauern wochenlang auf die Straße gegangen, um gegen die Landwirtschaftspolitik von Europäischer Union und Bundesregierung zu demonstrieren. Die Ampel-Fraktionen hatten daraufhin Verbesserungen für den Berufsstand avisiert und präsentierten insgesamt sieben Vorschläge. Als wichtigste Ziele waren dort Bürokratieabbau und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe genannt. Bis zur Sommerpause sollten «entsprechende Maßnahmen» beschlossen werden, hieß es damals. Ende Juni verkündeten die Fraktionschefs der Ampel dann eine Einigung auf Teile der Vorhaben und stellten ein «Agrarpaket» vor.

Die Ankündigung kam zum Bauerntag und stieß dort auf Kritik. Bauernpräsident Joachim Rukwied sprach von einem «Päckchen», die Bundesregierung sei «Lichtjahre entfernt von dem, was in der Landwirtschaft nötig ist», es brauche Reformen, die den Landwirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfähig machten.

Ampel trotzt Kritik von Union und Bauernverband

Trotz aller Kritik passierten die Maßnahmen nun im Schnelldurchgang den Gesetzgebungsprozess. Der Bundestag hat in der 27. KW das Agrarpaket der Bundesregierung mit der Mehrheit der Ampel-Fraktionen verabschiedet. Das Paket beinhaltet eine Reihe von Maßnahmen wie die Wiedereinführung der Gewinnglättung, die Stärkung von Landwirten in der Wertschöpfungskette sowie die Änderungen bei der Konditionalität und den Öko-Regelungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union. Die Änderungen des GAP-Konditionalitäten-Gesetzes sehen unter anderem zwei neue Öko-Regelungen vor. Demnach soll es neben einem Angebot für Milchviehbetriebe mit Weidehaltung eine weitere Öko-Regelung für Maßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität geben.

Die genaue Gestaltung der beiden Öko-Regelungen soll in einer Rechtsverordnung geregelt werden. Die Öko-Regelungen sollen, anders als zunächst gedacht, nicht aus Kürzungen der Flächenprämie, sondern aus freien Mitteln finanziert werden. Betriebe sollen die Hilfen dafür 2025 für 2026 beantragen können. Ein weiterer Punkt betrifft den Bürokratieabbau: Durch Erleichterungen im GAP-Konditionalitäten-Gesetz werde auf die Pflicht zur Stilllegung von vier Prozent der Ackerfläche ab 2025 verzichtet.

Zudem werden die Zahlungen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union zukünftig an die Einhaltung bestimmter arbeitsschutzrechtlicher sowie arbeitsrechtlicher Vorschriften aus den Bereichen Beschäftigung, Gesundheit und Sicherheit geknüpft. Ziel der sozialen Konditionalität sei, die Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften unionsweit zu fördern und so zur Entwicklung einer sozialverträglichen Landwirtschaft beizutragen. Das Gesetz enthält auch Regelungen zur Datenübermittlung zwischen den jeweils zuständigen Stellen. Dazu sollen die Mitgliedstaaten die geltenden Kontroll- und Durchsetzungssysteme im Bereich des Sozial- und Arbeitsrechts nutzen.

Landwirte gegenüber dem Handel besser stellen

Mit der Reform des Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetzes soll die Stellung der Landwirte gegenüber dem Handel in der Wertschöpfungskette verbessert werden. So ist etwa ein dauerhafter Schutz vor unlauteren Praktiken, wie Zahlungsziele von über 30 Tagen für verderbliche und von über 60 Tagen für andere Agrar-, Fischerei- und Lebensmittel, sowie ein Verbot von Retouren dieser Waren vorgesehen. Eine weitere Maßnahme ist die Wiedereinführung der steuerlichen Gewinnglättung für die Einkünfte aus der Land- und Fortwirtschaft. Damit sollen Gewinnschwankungen aufgrund von Wetterbedingungen abgefedert werden. Die Gewinnglättung – eine Tarifermäßigung – ist rückwirkend ab 2023 vorgesehen und soll für drei Jahre gelten. Landwirte könnten so rund 50 Millionen Euro Steuern sparen.

Kritik an den Bauernverband

Renate Künast (Grüne) kritisierte in der Debatte die Position des Deutschen Bauernverbands. Anstatt zurückzublicken, sollten die Fragen einer zukunftsfähigen Landwirtschaft und Ernährungssicherheit diskutiert werden, das habe die Ampel getan. «Was wir jetzt abstimmen, ist ein guter Vorschlag und ein guter Start», sagte sie. Dem schloss sich Susanne Mittag (SPD) an und sprach von «einem großartigen Paket». Landwirte, Angestellte und Verbraucher würden von den Maßnahmen profitieren.

Die Opposition übte heftige Kritik. Hermann Färber (CDU) nannte das Paket «eine Enttäuschung». Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft verwies auf die Erwartungen, die nach den Protesten entstanden seien, und unterstrich, dass «das Vertrauen in die Politik» bei den Landwirten mit diesem Vorhaben nicht gestärkt worden sei.

Auch Stephan Protschka (AfD) kritisierte das Vorhaben: «Das sogenannte Agrarpaket ist eine Mogelpackung und nicht einmal ansatzweise geeignet, um Bauernfamilien spürbar zu entlasten», sagte er. Die Ampel drücke sich leider davor, die eigentlichen Probleme, wie die zu hohen Energiekosten, die Dumping-Importe und die immensen bürokratischen Belastungen, anzugehen. Ina Latendorf (Linke) bemängelte, dass die Ampel sich erst in der letzten (26.) Woche auf die Reformen geeinigt habe, für eine gründliche Auseinandersetzung damit sei keine Zeit gewesen.

Liberale halten Kritik für nicht angebracht

Gero Hocker (FDP) relativierte die Kritik und verwies auf Tarifglättung, Wegfall der Flächenstilllegung und Stärkung der Erzeuger in der Wertschöpfungskette. Die Liberalen seien «die treibende Kraft bei den Reformen gewesen». Zudem stimmten die Abgeordneten über zwei Agrar-Anträge der Opposition ab. Die Union hatte einen eigenen Antrag vorgelegt und vor allem finanzielle und steuerliche Entlastungen für Agrarbetriebe gefordert. Die Vorschläge der AfD-Fraktion sahen die Rücknahme der Abschaffung der Agrardieselrückerstattung vor. Beide Anträge wurden mehrheitlich abgelehnt (Foto: pixabay.com).