Dienstag, 16. Juli 2024

Bäcker starten Unterschriftenaktion: «Sieben Prozent muss bleiben»

Rellingen. (bkv) Vor rund zwei Jahren hat Bundeskanzler Olaf Scholz angesichts der erheblichen Probleme der Gastronomie versprochen, dass die 2020 in der Coronakrise eingeführten sieben Prozent Mehrwertsteuern für Speisen bleiben – so wie sie fast überall in Europa gelten. «Die Bundesregierung droht aktuell, die Steuerschraube wieder anzuziehen. Die Lage bei den Betrieben ist aber wegen der gestiegenen Kosten für Energie, Rohstoffe und Löhne nach wie vor sehr kritisch», kritisiert die Vorsitzende der Bäcker- und Konditorenvereinigung Nord (BKV Nord), Bäckermeisterin Maren Andresen aus Neumünster, die Überlegungen der Politik. Jede weitere Belastung müsse daher 1:1 an die Kunden weitergegeben werden. «Wird ein durchschnittliches Stück Kuchen nun 40 Cent teuer, werden sich das viele Menschen schlichtweg nicht mehr leisten können. Das wollen wir im norddeutschen Bäckerhandwerk verhindern.»

[Anmerkung der Redaktion: Tatsächlich ist das Thema nach Beschluss des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags von Juni 2023 vorerst «durch». Änderungen sind frühestens nach der nächsten Bundestagswahl zu erwarten. Mit anderen Worten: Es gibt aktuell weder «Überlegungen» noch eine «Drohung», sondern nur einen legitimen Beschluss. Anmerkung Ende.]

Die norddeutschen Landesinnungsverbände für Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bremen rufen daher für das Bäckerhandwerk ihre Mitgliedsbetriebe auf, ab Ende September Unterschriften der Kunden zu sammeln und auch die Onlinepetition des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga zu unterstützen. «So helfen wir diesen Missstand in die Politik zu tragen», erklärt Babette Lichtenstein van Lengerich von der Lohner Landbäckerei, gleichzeitig Landesbeauftragte für Öffentlichkeitsarbeit für den Landesinnungsverband Niedersachsen/Bremen, die Aktion. «Seit September 2023 wird dazu mit Plakaten, Unterschriftenlisten und Infoflyern in den norddeutschen Bäckereicafés informiert», sagt Lichtenstein van Lengerich. «Die Abgeordneten sind aufgerufen sich beim Bäcker ihres Vertrauens mal ernsthaft über die Lage zu informieren – sonst gib es den nämlich vielleicht bald nicht mehr.»

Auch die Petition 156895 unterstützt das Norddeutsche Bäckerhandwerk ausdrücklich, die auf bundestag.de von jedermann mit unterstützt werden kann.

[Anm.d.Red.: Initiiert am 30. August 2023, zählt die Petition des Dehoga Bundesverbands am 27. September 1808 Mitzeichnungen. Das Quorum ist erreicht, wenn bis zum Ablauf der Quorumsfrist mindestens 50.000 Mitzeichnungen eingegangen sind. Die Frist endet am 10. Oktober 2023. Anmerkung Ende.]

«Gerade auch mit Blick auf die Kunden, die inflationsbedingt mit immer höheren Preisen in allen Wirtschaftsbereichen konfrontiert werden, darf jetzt nicht auch noch eine Mehrwertsteuererhöhung für Speisen in der Bäckergastronomie oben drauf kommen», kommentiert Verbandsgeschäftsführer Jan Loleit die Aktion. Das Wegbleiben der Kunden hätte unmittelbar das Sterben weiterer Betriebe zur Folge. Im Gegenteil: Kostensenkungen in Form sinkender Strompreise für Wirtschaft und Verbraucher wären jetzt das richtige Signal der Politik. «Das sorgt für Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Industrie und stärkt die Kaufkraft der Menschen – genau das fehlt zurzeit im Bäckerhandwerk.»


Nachtrag vom 16. Oktober 2023: Initiiert am 30. August, erhielt die oben genannte Petition des Dehoga Bundesverbands bis zum Ende der Zeichnungsfrist am 10. Oktober insgesamt 5152 Mitzeichnungen – darunter 4107 Online-Mitzeichnungen sowie 1045 Offline-Mitzeichnungen. Das Quorum ist damit nicht erreicht. Den Initiatoren gelang es nicht mal annähernd, die für die Annahme der Petition nötigen 50.000 Zeichnungen zu mobilisieren. Die nachgewiesenen (5152:500=) 10,03 Prozent sprechen zudem dafür, dass die Initiative des Dehoga Bundesverbands, unterstützt vom norddeutschen Bäckerhandwerk, selbst in den eigenen Reihen auf wenig Gegenliebe stößt – und sich die Branchen deutlich mehr Realitätsbezüge in der Verbandsarbeit wünschen.