Dienstag, 16. Juli 2024

Libanon: So verschärft Russland Ernährungskrisen weltweit

Bildunterschrift: Bundesministerin Svenja Schulze besichtigt die zerstörten Getreidesilos im Hafen von Beirut (Foto: Thomas Köhler – photothek.net).

 
Berlin. (bmz) Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), hat sich in der libanesischen Hauptstadt Beirut über die Arbeit des Welt­ernährungs­pro­gramms (WFP) der Vereinten Nationen informiert. Sie stellte dem WFP dabei 10 Millionen Euro Förderung für die weitere Arbeit im Libanon in Aussicht. Der Libanon gehört zu den Ländern, die am stärksten von Getreide­lieferun­gen aus Russland und der Ukraine abhängig sind und die infolge des Kriegs unter einer verschärften Ernährungskrise leiden.

Schulze sagte zudem zu, sich angesichts der drohenden Hunger­krise für eine deutliche Aufstockung der bisher insgesamt für das Welt­ernährungs­programm ge­planten deutschen Haus­haltsmittel einzusetzen. Zudem wirbt sie international für ein Bündnis für globale Ernährungssicher­heit, das die weltweite Unterstützung schnell und vorausschauend koordinieren soll.

Bundesministerin Schulze besucht die Bäckerei Sarkis Panpajian in Beirut. Sie befindet sich in einem Bezirk, der besonders von der Explosion 2020 im Beiruter Hafen betroffen war. Das UN-Welternährungsprogramm unterstützt Kleinstbetriebe beim Wiederaufbau (Foto: Thomas Köhler – photothek.net).

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Entwicklungsministerin Schulze: «Es droht die schwerste Ernährungskrise seit Jahrzehnten. Das Welt­er­näh­rungs­pro­gramm ist unser wichtigster Partner im Kampf für Er­nährungs­sicher­heit. Ich habe höchsten Respekt vor all den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die unermüdlich daran arbeiten, Menschen vor Hunger und Hungertod zu bewahren. Deutschland ist bislang der zweitgrößte Geber des Welt­er­näh­rungs­programms. Wir werden unsere Unter­stüt­zung fortsetzen. Angesichts der drohenden Hungerkrise müssen wir auch mehr tun, als bisher im Haushalt dafür angesetzt ist – und wir werden auch mehr tun. Im Libanon arbeiten wir gemeinsam daran, Nahrungs­mittel­hilfe zu leisten und gleichzeitig neue Ein­kommens­quellen zu schaffen. Denn letztlich kommt es darauf an, Abhängigkeiten zu reduzieren und Gesellschaften krisenfester zu machen. Die Alternative sind Hunger und Destabilisierung.»

Zusammen mit Vertretern des WFP besuchte Ministerin Schulze ein WFP-Weiter­bil­dungs­projekt, eine Bäckerei und einen Markt, die mit dem WFP zusammenarbeiten. Außerdem traf sie sich mit Familien aus dem Libanon sowie aus Syrien Geflüchteten.

Im vergangenen Jahr war ein Drittel aller Menschen im Libanon auf Hilfe des WFP angewiesen. Durch den Krieg in der Ukraine wird die ohnehin schon schlechte Versorgungslage noch einmal deutlich verschärft. Der Libanon ist wie einige andere Länder auch fast komplett von Getreidelieferungen aus Russland und der Ukraine abhängig. Dazu kommt der starke Anstieg der Preise für Lebensmittel.

Auch der Gemeindeküche des Projekts «Matbakh el Kell» («Eine Küche für alle») stattete Svenja Schulze einen Besuch ab. In der Küche werden Mahlzeiten für Menschen zubereitet, die von der Explosion 2020 im Beiruter Hafen besonders betroffen sind (Foto: Thomas Köhler – photothek.net).

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Die zusätzlichen 10 Millionen Euro stehen noch unter dem Vorbehalt der laufenden Haushaltsberatungen im Parlament. Zwei Drittel dieser Mittel sollen in Resilienz­maß­nahmen fließen: Dazu gehört etwa Nah­rungs­mittel­hilfe, die an den Aufbau nachhaltiger Ressourcen und Infrastruktur geknüpft ist («Food Assistance for Assets») und Nahrungsmittelhilfe, die mit Weiterbildungsprogrammen verbunden ist («Food Assistance for Training»). Dabei bekommen Teilnehmende Nahrungsmittel, Gutscheine oder Bargeld, wenn sie nachhaltige, gemeinnützige Infrastruktur errichten oder Fort­bildun­gen besuchen. Mit dem übrigen Drittel soll das erste gezielte soziale Siche­rungs­pro­gramm im Libanon (National Poverty Targeting Programme) unterstützt werden, das in diesem Jahr 75.000 bedürftigen Haushalten dabei helfen soll, ihren täglichen Bedarf zu decken, zum Beispiel mit Lebens­mittel­gut­schei­nen.

Für den Ergänzungshaushalt, der im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise an diesem Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden soll, hat Bundesministerin Schulze unter anderem weitere Mittel zum Kampf gegen den Hunger in von der globalen Er­näh­rungs­krise betroffenen Regionen angemeldet.

Bundesministerin Schulze im Gespräch mit dem libanesischen Wirtschaftsminister Amin Salam und Najat Rochdi, stellvertretende UN-Koordinatorin für den Libanon – der vor wenigen Jahrzehnten noch als die Schweiz des Nahen Osten galt (Foto: Thomas Köhler – photothek.net).

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Ute Klamert, Beigeordnete Exekutivdirektorin des UN-Welt­er­näh­rungs­pro­gramms: «Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine sind auf der ganzen Welt zu spüren. Länder wie der Libanon, die mit multiplen Herausforderungen zu kämpfen haben, werden von diesen besonders hart getroffen. In Zeiten zahlreicher Krisen und ständig steigender Hilfsbedarfe ist es wichtiger denn je, die Grundlage für Resilienz zu schaffen. Unser Ziel muss es sein, dass jede*r den eigenen Nahrungsmittelbedarf decken kann. Die unermüdliche Unterstützung Deutschlands für unsere Arbeit zeigt ihre positive Wirkung im Leben von Menschen überall im Land. Auch durch deutsche Beiträge konnten wir allein im Jahr 2021 mehr als 2,1 Millionen Menschen erreichen. Während dieser Reise haben wir im Libanon die gravierenden Effekte der lokalen und globalen Krisen direkt gesehen. Der zusätzliche Beitrag kommt also zur rechten Zeit. Deutschland ist einer der größten Geber von WFP im Libanon. Wir sind dankbar für die beständige und zuverlässige Unterstützung, die es uns ermöglicht, so vielen Menschen im Libanon Perspektiven zu eröffnen.»

Deutschland ist zweitgrößter Geber des Welternährungsprogramms nach den USA. Die Auszahlungen im Corona-Krisenjahr 2021 beliefen sich auf 1,2 Milliarden Euro, davon 476 Millionen Euro aus dem Bundesministerium. Das BMZ hat zudem im Zeitraum von 2018 bis 2024 das WFP-Landesprogramm im Libanon bislang mit 135 Millionen Euro gefördert (Fotos: Thomas Köhler – photothek.net).