Berlin. (fw) Egal ob Fipronil in Eiern, verseuchte Lactalis- Babymilch in 86 Ländern oder Pferdefleisch in der Rindfleich- Lasagne: Immer wieder kommt es in Europa zu Lebensmittelskandalen. Das EU-Recht bietet den Verbraucherinnen und Verbrauchern keinen ausreichenden Schutz, weder vor Täuschung noch vor Gesundheitsgefahren. Foodwatch International fordert eine grundlegende Überarbeitung des EU-Lebensmittelrechts, damit Bürgerinnen und Bürger besser vor Lebensmittelskandalen geschützt werden.
Jüngste Fälle wie etwa der Skandal um Fipronil-verseuchte Eier zeigen, dass beispielsweise die Rückverfolgbarkeit von Nahrungsmitteln entlang der Lieferkette nicht gegeben ist. Behörden sind bisher nicht verpflichtet, Verbraucherinnen und Verbraucher schnell und umfassend bei Gesundheitsgefahren von Lebensmitteln zu informieren. Das heißt, bei Betrug und Täuschung sieht das EU-Recht überhaupt keine Verpflichtung für die Behörden vor, die Öffentlichkeit zu informieren. Foodwatch fordert die EU-Kommission auf, diese Schwachstellen bei der anstehenden Reform des Lebensmittelrechts zu beseitigen.
EU will lediglich Risikobewertung verbessern
Um die Vorschriften des Lebensmittelrechts effektiv umzusetzen, braucht es darüber hinaus für Verbraucherverbände kollektive Klagerechte – ähnlich wie es beispielsweise für Umweltschutzorganisationen im EU-Recht verankert ist. Die Pläne der EU-Kommission für eine Reform des europäischen Lebensmittelrechts sehen bisher lediglich Verbesserungen der Risikobewertung von riskanten Stoffen vor, zum Beispiel bei der Zulassung von Unkrautvernichtungsmitteln.
«Die EU schafft es nicht, 500 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa vor Gesundheitsgefahren und Täuschung im Lebensmittelmarkt zu schützen. Schlimmer noch: Die Europäische Union tut nichts, um die Situation zu verbessern, sondern schützt weiterhin die Interessen der Industrie», sagt Thilo Bode, Geschäftsführer von Foodwatch International.
Rückverfolgbarkeit nicht gegeben
Bislang wurde die im EU-Recht eindeutig vorgeschriebene lückenlose Rückverfolgbarkeit in der Lebensmittelkette niemals durchgesetzt. So sind bei allen größeren Lebensmittelskandalen der letzten Jahre – von Salmonellen in Babymilch des französischen Herstellers Lactalis über mit dem Insektengift Fipronil belastete Eier bis zum Pferdefleischskandal – jeweils Millionen Produkte auf den Markt gelangt, ohne dass die Unternehmen und zuständigen Behörden die genauen Warenströme nachverfolgen konnten und betroffene Produkte aus dem Markt genommen haben.
Unzureichende Information der Öffentlichkeit
Zudem wurden die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Vergangenheit regelmäßig völlig unzureichend gewarnt. Daher muss im EU-Lebensmittelrecht klar geregelt werden, dass die Behörden bei Verstößen schnell und umfassend die Öffentlichkeit informieren müssen – und zwar unter Nennung der Namen der Hersteller und Produkte und sowohl in Fällen, in denen Gesundheitsgefahr besteht als auch bei Betrug. Außerdem muss es für Verbraucherverbände die rechtliche Möglichkeit geben, Behörden zu verklagen, wenn diese ihre Verpflichtungen im Rahmen des EU-Rechts missachten. Erst das schafft das nötige Druckmittel für Verbraucherorganisationen.
Das allgemeine europäische Lebensmittelrecht, die sogenannte EU-Basisverordnung, wurde 2001 als Antwort auf die BSE-Krise («Rinderwahnsinn») beschlossen. Im Rahmen des «REFIT-Prozesses» (Regulatory Fitness and Performance Programme) der Europäischen Kommission soll es jetzt überarbeitet werden. Die EU-Kommission hat dazu im April 2018 einen Reformvorschlag vorgelegt, der vor allem die Risikobewertung verbessern soll. So sollen etwa Studien zur Sicherheit von Unkrautvernichtungsmitteln wie Glyphosat zukünftig besser öffentlich zugänglich sein. Dieser Vorschlag ist nicht ausreichend. Es müssen endlich die grundlegenden Schwachstellen im EU-Lebensmittelrecht abgestellt werden. Foodwatch hat dazu acht konkrete Forderungen vorgelegt (Foto: pixabay.com).
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