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Ausgabe 26/2003 -- 3. Jahrgang

 

EU-Agrarpolitik: Der teure Roggen

Hamburg. (21.06. / nd / eb) Man muss es sehen wie es ist: Rezepte und Technologien zur Herstellung interessanter Backwaren aus Roggen oder mit Roggenanteil gibt es genug; allein deren Attraktivität ist Verbrauchern zunehmend schwer zu vermitteln. Das ist aus ernährungsphysiologischer Sicht sehr schade. Andererseits steckt in dieser Entwicklung die unmissverständliche Aufforderung, für Roggen neue Anwendungsgebiete zu erschließen. 

Besonders hervorgetan hat sich damit hierzulande bislang nur das IGV Institut für Getreideverarbeitung aus dem brandenburgischen Bergholz-Rehbrücke. Wenn in anderen Regionen das sicherlich vorhandene Roggenproblem noch nicht in gleicher Intensität behandelt wird, dann liegt das zu einem guten Teil daran, dass Brandenburg die Streusandbüchse Deutschlands ist und 'Märkische Heide, märkischer Sand' dort nicht von ungefähr als Landeshymne gesungen wird. Soll heißen: Aufgrund der Bodenbeschaffenheit lautete dort früher die Fruchtfolgen-Formel: Roggen, Kartoffeln, Karnickel, Kiefern, Strick -– letzterer, weil irgendwann für die Bauern nicht mehr genug zum Leben blieb. 

Roggen gibt es auf brandenburgischen Feldern nach wie vor. Momentan müssen sich die Bauern auch nicht den Strick nehmen, weil es ja noch die EU-Roggenintervention gibt. Noch, denn die wird aber bald abgeschafft. Zusätzlich unter Druck geraten werden die Roggenbauern durch die Tatsache, dass Polen als großer Roggenproduzent die EU-Marktsituation verschärfen wird. Bleiben also nur zwei Möglichkeiten: Entweder geben viele Bauernwirtschaften auf und die sandigen Böden versteppen, oder die traditionell gewachsenen Kulturlandschaften (und Arbeitsplätze) bleiben erhalten, in dem Roggen als Rohstoff neu entdeckt und in seiner Vielfalt auch genutzt wird. 

In der Vergangenheit hat sich der WebBäcker immer wieder mal diesem Thema zugewandt, das spätestens 2004 -- also im kommenden Jahr -- eine gewisse Brisanz erfahren wird. Dieser Tage fand sich ein interessanter Beitrag im Neuen Deutschland (http://www.nd-online.de) zum Thema Roggenintervention, der besonders die aktuellen Kommissionsberatungen beleuchtet:

"Es gibt landwirtschaftliche Regionen, auf deren Böden mit ihrem niedrigen Ackerwert nur sehr wenig wächst -– darunter in der brandenburgischen Streusandbüchse, in einigen Gegenden Vorpommerns und Sachsens. Das Brotgetreide Roggen war und ist auch heute noch auf sehr leichten Böden eine anbauwürdige Kultur. Und nebenbei: Roggenbrot ist gesund. 

Aber immer mehr Menschen wollen statt des grauen lieber weißes Brot essen. In der Futtermittelwirtschaft spielt der Roggen auch noch keine große Rolle. Also sinkt für die Roggenanbauer der Absatz, das Korn muss 'auf Halde' geschaufelt werden. Seit einiger Zeit spielt deshalb der Roggen in der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) eine wachsende Rolle. 

Wie Agrarkommissar Franz Fischler in der Debatte um die GAP-Reform Anfang Juni betonte, sind die Interventionsmengen (die vom Staat aufgekauften Mengen, deren Erhaltung vom Steuerzahler finanziert werden muss) auf 5,3 Millionen Tonnen Roggen angewachsen -- mehr als eine normale Jahresernte. Mit der EU-Erweiterung im nächsten Jahr wird das Problem noch verschärft, denn allein schon Polen ist ein potenzieller Roggenproduzent. Fischlers Forderung lautet deshalb eindeutig: das Problem für immer aus der Welt schaffen, in dem die Roggenintervention abgeschafft wird. Das aber würde europaweit das Aus für Hunderttausende Bauernwirtschaften bedeuten. Und Fischler widerspricht seiner eigenen Forderung: 'Wir wollen eine flächendeckende, nachhaltige Landbewirtschaftung ermöglichen und gepflegte Kulturlandschaften durch landwirtschaftliche Tätigkeit (...) sicherstellen.' Ohne Roggenanbau können leichte Böden versteppen. 

Nun ist der europäische Roggenberg in der Tat zu teuer. Aber man kann nicht auf einen Schlag auf Kosten der Bauern alles verändern. Da sind sich Abgeordnete selbst gegensätzlicher Fraktionen einig. Die Europaabgeordnete Christel Fiebiger, lange Zeit Genossenschaftsvorsitzende in der Prignitz, weiß, wovon sie spricht. Sie hat deshalb im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung für eine zeitlich befristete Intervention für die Standorte, an denen keine Alternative zum Roggenanbau besteht, plädiert. Und dies auch mit Blick auf Gerechtigkeit bei der EU-Erweiterung. 

Die deutschen Konservativen stimmten dem zu. Der Abgeordnete Xaver Mayer lobte die Beschlüsse des analogen Änderungsantrags zu den Kommissionsvorschlägen, der Möglichkeiten eines höheren Roggenverbrauchs auf verschiedenen Ebenen sowie die Einschränkung des Roggenanbaus auf Grenzstandorten vorsieht. "Frau Fiebiger hat darauf hingewiesen, auf sie geht das auch im Großen und Ganzen zurück", betonte er ausdrücklich. Der Antrag war im Ausschuss mit Mehrheit angenommen worden. Agrarkommissar Fischler aber nannte die Einführung nationaler Richthöchstmengen eine 'halbe Lösung'. 

Roggen ist ein vergleichsweise kleines Problem auf dem Weg zu einer akzeptablen Agrarpolitik eines einigen Europas. Doch ganz neue Einsatzmöglichkeiten für dieses Korn in der Ernährung, der Tierfütterung und als alternativer Rohstoff können ländliche Regionen stärken, Arbeitsplätze schaffen, agrarische Ressourcen entdecken und besser ausnutzen helfen." 



-- Ende des Artikels --